Skizzen aus Wien – Nr. 4

Der Herbst hat Einzug gehalten in Wien und mit ihm verdichten sich auch die nennenswerten kulturellen Veranstaltungen. Nach einem denkwürdigen Konzert von Conor Oberst im September, beginnt der Oktober mit einem herzerwärmenden Theaterabend. Eine Bühne im 15. Wiener Gemeindebezirk, der so genannte Salon 5, zeichnet dafür verantwortlich. Für mich persönlich wenig überraschend, da mich der letzte Besuch im Burgtheater, der auch schon wieder fast ein Jahr zurückliegt, wahrlich nicht vom Hocker gerissen und meine Meinung gefestigt hat, dass die hochnotwendige Theaterrevolution sicherlich nicht dort stattfinden wird, zumindest nicht zum aktuellen Zeitpunkt. Ein kleines, flexibles, Innovationen aufgeschlossen gegenüberstehendes Bühnenprojekt, das auch vor dem Kontakt mit dem Publikum nicht zurückschreckt – der Salon 5 – scheint diesbezüglich schon einiges mehr an Potential zu beherbergen.

Nachdem mir zu Beginn des Jahres Fortuna hold war und mir einen Besucherpass, der mich samt Begleitung zu ganzen drei Vorstellungsbesuchen einlud, ins elektronische Postfach wehte, hat es New York-bedingt bis Oktober gedauert, bis mich mein Weg gestern Abend endlich in die Fünfhausgasse 5 führte. Am Spielplan stand „Ich und Kaminski“ nach einem Roman von Daniel Kehlmann, den ich zugegebenermaßen nicht gelesen habe.

Bereits der erste Eindruck der Spielstätte war ausgenommen positiv. Durch einen Durchgang geht es in einen hübschen Innenhof, der den Blick auf die herrliche Ziegelfassade der Spielstätte freigibt. Das Erdgeschoß bildet ein offener loftartiger Raum, in dem man sich bei herzlicher Bewirtung und gratis (!) Tapas auf die Vorstellung einstimmen kann. Es gibt noch einen ausgesprochen einladenden Innenhof, der Einen laue Sommernächte herbeiwünschen lässt, um hier gemütlich zu loungen. Das Gebäude ist Teil des ehemaligen jüdischen Sportvereins Makkabi, wurde geschmackvoll renoviert und wird jetzt von Brick 5, dem Verein zur Förderung der multimedialen Kunst und Technik, betrieben. Es gäbe vermutlich, allein die Geschichte des Hauses betreffend, einiges zu sagen, ich ziehe es für den Moment vor, mich über die dort stattfindende Theaterkunst auszubreiten.

Die Vorstellung beginnt bereits in der Lounge, an Ort und Stelle werden die Protagonisten vorstellig und unvermutet befindet man sich mitten im Geschehen. Nach der Aufwärmrunde begibt man sich samt und sonders in den ersten Stock, in dem eine ebenerdige schmale Bühne sich an die hintere Raumwand schmiegt. Der Boden ist mit feinem Sand bedeckt, an der Wand hängen Bilder, die zugleich als Projektionsfläche dienen, sowie eine größere Videowand, der im Laufe der Vorstellung nicht unbeträchtliche Wichtigkeit zukommt. Das Stück handelt von Sebastian Zöllner (Daniel Frantisek Kamen), seines Zeichens Kunstkritiker und Biograph, der sich mit der Biographie des alternden Kunststars Manuel Kaminski (Isabella Wolf) selbst ein Denkmal setzen möchte. Zwischen Rückblenden auf die Recherchearbeit des selbstgefälligen Zöllner, in denen via Videowall dessen Interviewpartner mehr oder weniger willig Einblicke in das vermeintliche Leben des Kaminski geben und den Dialogen mit dem kränkelnden, altersschwachen Künstler und dessen Tochter (ebenfalls Isabella Wolf) begibt sich der Besucher auf eine Reise, auf der ganz nebenbei Fragen nach Identität, Sein und Schein, Geltungsdrang und Lebenszweck aufgegriffen werden. Aufgelockert wird das Ganze durch eine dynamische Spielführung, in der so gut wie nie Langeweile aufkommt, dem vollen (körperlichen) Einsatz der drei Darsteller (Jens Ole Schmieder ist der Dritte im Bunde) und den Video-Gastauftritten prominenter Schauspieler.

Nach dem gerne und großzügig spendierten Applaus begibt man sich zurück in die Lounge und trifft, welch nette Überraschung, auf die Schauspieler selber. Hat Gelegenheit nachzufragen, sich bei einem Glas Wein noch mal in die Thematik des Stückes zu vertiefen, oder über das Theater an sich zu philosophieren. Über die Freude, ein diesbezügliches Juwel, noch dazu in Wien, entdeckt zu haben, über die innovative Inszenierung (Bühnenfassung und Regie: Anna Maria Krassnigg), über alles was in der hiesigen Kulturszene falsch läuft und die unfassbare Frechheit, dass ein Projekt wie dieses, wenn es blöd läuft, ab dem nächsten Frühjahr nicht mehr gefördert wird. Das gilt es zu verhindern! Ich zumindest werde meine zwei verbleibenden Besuche in jedem Fall konsumieren, ein Abonnement fürs nächste Jahr ist ins Auge gefasst und für alle, die den Weg in den Salon 5 noch nicht gefunden haben: Allerwärmste Empfehlung!

Weiterführende Links:

Salon 5

Brick 5

Susanne, 12. Oktober 2008

Skizzen aus Wien – Nr. 1

 

Nach mehreren Wochen virtueller Abwesenheit melde ich mich zurück auf The Sandworm. Wie der neue Titel erkennen lässt, befinde ich mich nunmehr wieder in Wien und versuche mich langsam in dieser seltsamen Stadt einzugewöhnen. Diese Eingewöhnung hatte bisher durchaus die Qualität eines Kulturschocks, in meinem Fall kann man sie auch dem Durchschreiten der fünf Kübler-Ross´schen Trauerphasen gleichsetzen – Nichtwahrhabenwollen/Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression – und schließlich Akzeptanz. Phase 1 kam gleich mit dem Wiedereinstieg in den alten Job. Die dortigen Zustände führten zu allerlei Fragen im Sinne von „Das kann nicht alles wirklich passieren. Das muss ich mir einbilden?!“ Sie ging kurz darauf in eine längere Phase unbändigen Zornes über und mündete nur durch Zufall nicht in einem Gewaltausbruch, sondern sinnvollerweise in der Kündigung. Es folgte das Verhandeln – nicht mit dem Arbeitgeber – sondern mit dem Arbeitsamt. Die dort versprochenen Zahlungen führten mich in Phase 4 – eine mittelgradige Depression. Letztlich konnte ich eine pathologische Trauerreaktion doch noch abwenden und schaffte den Übergang in Phase 5: die Akzeptanz, dass der Aufenthalt im Schlaraffenland vorbei ist und ich vorläufig mein Dasein in Wien fristen muss.

Da ich aber meine Zeit nicht sinnlos vertrödeln möchte, obwohl ich derzeit sehr dazu geneigt wäre, habe ich beschlossen hierorts wieder die eine oder andere Geschichte zum Besten zu geben – in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen – es gibt auch in Wien genug Inspiration dafür. 

 

Susanne, 16. August 08

Skizzen aus NY – Nr. 6

U-Bahn fahren in NY ist eine eigene Wissenschaft. Eher eine Geheimwissenschaft, denn selbst eingefleischte New Yorker finden sich hie und da in einem undurchsichtlichen System aus umgeleiteten, ausgefallenen oder am fremden Geleis fahrenden U-Bahnzügen wieder. Nun wird man fragen, wie ich als U-Bahn-Anfängerin auf die Idee komme, dass alteingesessene New Yorker Schwierigkeiten im Umgang mit der hiesigen Untergrundbahn haben könnten? Erfahrung und ein guter Blick sagen mir, dass ich Recht habe.

Natürlich dachte ich zu Beginn meines Aufenthaltes, ich würde bloß in die Anfängerfallen der MTA – der Metropolitan Transportation Authority, so der Betreiber der New Yorker U-Bahn – tappen. Sicher, ich war auch vor diesem Aufenthalt nie länger als eine Woche in der Stadt gewesen und konnte mich an die Tücken des U-Bahnwesens kaum erinnern, aber nach dem ersten Schrecken, als ich mich unerwartet in einem Zug einer Linie befand, der gar nichts dort, wo ich zugestiegen war, zu suchen gehabt hätte, war ich gewarnt. Und, als jemand, der sich selbst bereits akademisch betätigt hat, war meine wissenschaftliche Neugier entfacht.

Dabei ist die New Yorker U-Bahn heimtückisch! Durchaus übersichtlich präsentiert sie sich dem arglosen Benutzer am Plan wohlorganisiert und lädt geradezu ein, sich auf eine Erkundung der Stadt mittels öffentlichem Transportmittel einzulassen. Und da ist man ihr dann ausgeliefert, denn einmal geschluckt vom endlosen Tunnelsystem, einmal eingestiegen in die falsche Bahn, bedarf es einiges an List und Tücke ihr wieder zu entkommen.

Da gibt es ein Gewirr an Reparaturen, die Umleitungen bedingen, kurzfristig eingeschobenen Expresszügen, die in rasender Geschwindigkeit an der heimischen Haltestelle vorbeisausen, so schnell, dass man kaum in der Lage ist, den Namen der gewünschten Haltestelle rechtzeitig zu lesen und sich bereits mitten auf dem Weg in unbekannte Gefielde Manhattans befindet – oder schlimmer, möglicherweise bereits in Queens! Hin und wieder wandert man spät abends in die gewohnte Station, freut sich auf einen kurzen Heimweg und wird erst nach 20, 30 Minuten misstrauisch. Wo bleibt der gewohnte Zug? Neben mir warten nur 5 andere Leute, recht wenig für Midtown Manhattan, auch um kurz vor Mitternacht. Irgendwann beginnen sich die Wartenden fragend umzusehen, Blicke treffen sich, trennen sich wieder und starren hoffnungsfroh in den tiefschwarzen U-Bahnschacht. Wo bleiben die zwei erlösenden Scheinwerfer. Dann endlich, die vertraut unverständliche Stimme der Ansage. Hinter einem trommelfellerschütternden Rauschen kann man, wenn man der englischen Sprache sehr gut mächtig ist, oder derlei Situationen bereits öfters erlebt hat, die Worte „no“ „train“ und „downtown“ heraushören. Das gelingt aber auch nur jenen, die sich so wie ich, ganz intensiv mit der U-Bahn-Wissenschaft auseinandersetzen. Für alle anderen lässt es sich kurz dahingehend übersetzen, dass der gewünschte Zug nicht fährt. Und auch kein anderer. Basta. Also räumt man mit hängendem Kopf den Bahnsteig und sucht wie ein Abenteurer, einen neuen Weg zum Ziel.

Fragen ist meist hoffnungslos, auch wenn die U-Bahnansage, wie des Öfteren, bloß nur mehr wie „rewawawerrrraawwwwaarr“ klingt. Denn dann erntet man zumeist Kopfschütteln, eventuell ein kurzes „ich habe keine Ahnung“ oder bestenfalls ein mitleidiges „es tut mir sehr leid“. Man ist auf sich allein gestellt. Schafft man es dann endlich in den richtigen Zug, treten weitere Effekte, die dem U-Bahnfahren in New York und wissenschaftlicher Betätigung gemein sind, in Kraft: Befriedigung und Wissensneid. Zum einen ist man heilfroh endlich auf dem richtigen Weg nach Hause zu sein, die wissenschaftliche Fragestellung zufriedenstellend beantwortet zu haben – dieser Effekt verstärkt sich mit fortschreitender nächtlicher Stunde – zum anderen – und hier findet sich auch die Bestätigung der These, dass selbst eingefleischte New Yorker in Sachen U-Bahnfahren auf verlorenem Posten stehen – zeigt sich an den Haltestellen, die man bis zum Ziel anfährt immer wieder dasselbe Bild: Der Zug hält, die Türen öffnen sich, ein paar New Yorker schauen scheu in den Zug, wie wilde Tiere, kurz bevor sie in die Falle tappen – man kann an ihrem Blick die offensichtliche Frage „wohin fährt dieser Zug?“ lesen. Ein paar Mutige steigen ein und setzen sich hin, lassen sich nicht anmerken, dass sie keine Ahnung haben, wo sie hinfahren. Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt, man hat nicht viel Zeit für die Entscheidung, bleibe ich oder steige ich wieder aus, erfahrungsgemäß schließen sich die Türen innerhalb einer halben Minute. Endlich – jemand fragt, so uninteressiert wie möglich, „fährt dieser Zug nach XY?“. Und hier beginnt der Wissensneid der bereits mitfahrenden Gäste/U-Bahnforscher. Schließlich haben wir uns unser Wissen über die Destination des Zuges hart erarbeitet. Soll ich es irgendeinem dahergelaufenen Pseudowissenschafter, der vielleicht gerade mal 5 Minuten auf seinen Zug gewartet hat, so einfach preisgeben? Wer glaubt der, wer er eigentlich ist? Doch dann hat man Mitleid, man hat ja schließlich einen gemeinsamen Feind, eine gemeinsame Disziplin – das erfolgreiche U-Bahnfahren, ohne versäumte Ausstiegsstellen, ohne einfach ausgelassene Haltestellen – und – man gibt freudig, ja stolz über das bisschen Wissen mehr, das man an diesem Abend den anderen U-Bahnwissenschaftern gegenüber besitzt, die gierig erwartete Antwort. Ahhhh! Alle setzen sich, öffnen ihre Zeitungen, schlagen ihre Bücher auf, schalten ihre MP3 Player ein – und man fährt endlich nach Hause. Prüfung bestanden. U-Bahnwissenschaften für Anfänger.

Susanne, 12. Mai 2008

Das Allerärgste … aller Zeiten!

Österreich, die beste Zeitung aller Zeiten aus dem schönsten Land der Welt, erkannte also einen Tag nach Bekanntwerden des zweifelsohne mönströsen Verbrechens des Herrn F. aus Amstetten dasselbe auf seiner Titelseite als „schlimmstes Verbrechen aller Zeiten“. Gewiss verwundert es nicht, dass sich die Titelseiten der hiesigen Boulevardblätter in Bezug auf diese Tat gegenseitig in Superlativen zu überbieten versuchen – terminologische Eckpunkte sind kaum überraschend die Begriffe „Horror“, „Grusel“, „Verlies“ und natürlich „Inzest“ – letzterer mit allen mitschwingenden Bedeutungen einer der All-Time-Horrorbegriffe überhaupt. Auch im Fall einer derartigen, in ihrem Schrecken zumindest in der jüngeren österreichischen Vergangenheit tatsächlich einzigartigen Tat, scheint boulevard-mäßig nichts ohne den ultimativen Superlativ, den „aller Zeiten“-Superlativ zu gehen. An Absurdidät und Lächerlichkeit ist eine derartige Qualifizierung der Tat selbstverständlich nicht zu überbieten. Ebensowenig ist dieses Medium und das, was es von sich gibt, ernstzunehmen, ich weiß. Trotzdem … schlimmstes Verbrechen aller Zeiten … war da nicht noch was … liegt schon ein paar Jahrzehnte zurück … war daran nicht auch ein Österreicher mit Oberlippenbärtchen beteiligt … ?

(Martin)

Skizzen aus NY – Nr. 5

Die USA sind ein faszinierender Staatenbund, dessen Regierung und Bevölkerung immer wieder für ausgesprochene Dummheit in der Kritik steht. Immerhin, mir sind die Amerikaner trotzdem ans Herz gewachsen und die Ignoranz treibt auch in Europa gerne ihr Unwesen. Beispiele dafür gäbe es genug. Nachdem ich aber nun mal in NY aufhältig bin und mich deshalb vordergründig mit US-amerikanischen Eigenheiten beschäftige, habe ich beschlossen den Lesern dieses Blogs eine Freude zu machen und ein paar ganz besonders schöne Stilblüten zur Thematik „Dinge, die kein Mensch braucht“ zu dokumentieren. Natürlich muss ich hier wieder meine amerikanischen Freunde verteidigen – auch in Europa und ganz besonders in Österreich verfügt man über einprägsame Beispiele von unnötigem Firlefanz, der außer viel Geld zu kosten, kaum jemandem von Nutzen ist. Erwähnt sei in dieser Hinsicht vielleicht der allseits beliebte Kreisverkehr, der sich in der süd-westlichen Steiermark auch in größeren Ansammlungen findet, nicht zu vergessen auch die sommerlichen Baustellen in den Städten – hier ein Loch, aufgefüllt, am nächsten Tag wieder aufgerissen – am besten zu früher Morgenstunde mit dem Presslufthammer. Einige Zeitgenossen würden Österreich gar als Geburtsstätte sinnloser Zeitvertreibungen bezeichnen – nicht umsonst wurden das Salzamt oder der Amtsschimmel hier geboren – soweit will ich aber dann doch nicht gehen.

Wie dem auch sei, ich befand mich vergangenen Donnerstag auf dem Flug nach Chicago und wollte zunächst Ablenkung in einem Klassiker der Literaturgeschichte suchen, als mich das bunte Magazin in der Rückseite des Vordersitzes ganz und gar davon ablenkte. Es erwies sich nicht nur als höchst kreativ in Sachen nutzlose Erfindungen, nein es schien ganz und gar Expertentum auf diesem Gebiet entwickelt zu haben. Darüber hinaus war es eine der amüsantesten Lektüren, die ich in jüngster Zeit gelesen habe und der langweilige Flug ist dadurch blitzschnell vergangen. Das eindrucksvolle Magazin nannte sich Skymall – Einkaufszentrum im Himmel – und bot auf schätzungsweise mehr als 100 Seiten eine Vielzahl hochinteressanter Produkte an. Manche davon durchaus auch brauchbar, der große Rest jedoch ein beeindruckendes Sammelsurium an nutzlosen Kuriositäten, die mich allein schon aufgrund der großen Kreativität, die zum Ausdenken derlei Absurditäten notwendig schien, sprachlos machten. Oder sagen wir lieber, sich meine Bewunderung sicherten. Für alle die sich fragen, was da so alles dabei war, folgt nunmehr eine Auswahl meiner absoluten Lieblingsprodukte. Für Interessenten – die es vielleicht sogar gibt – habe ich auch die wohlfeilen Preise (der Dollarkurs ist derzeit optimal – also schnell zuschlagen!) angeführt. Ich möchte noch erwähnen, dass ich mir in der Übersetzung hin und wieder Freiheiten gelassen habe, um den auch literarisch beeindruckenden Stil dieses Magazins zumindest annähernd wiederzugeben:

1. Der 206 hörbare Vogelstimmen-Identifikator….$ 99,95:
Da muss das Herz jedes Hobby-Ornithologen einfach höher schlagen! Da zwitschert ein Vöglein im Busch – ha! – ich habe ja den 206 hörbare Vogelstimmen-Identifikator – jetzt fliegt kein Vogel mehr unidentifiziert aus meinem Garten (das Gerät ist auch hoch aktuell im Bezug auf die herrschende Sicherheitsdebatte…).

2. Der persönliche „Zwischen-Bettdecken-Ventilator“….$ 75,95:
Ihnen ist zwischen Matratze und Bettdecke zu heiß? Jetzt gibt es endlich eine Lösung. Kein mühsames Lüften der Decke oder teilweises Abdecken von zu heiß gewordenen Körperteilen mehr. Ich schalte einfach meinen praktischen Zwischen-Bettdecken-Ventilator ein!

3. Das Marshmallow-Maschinengewehr…$ 29.95:
Ein sinnvolles Zeichen in einer kriegerischen Welt. Lassen wir unseren Kindern die Plastikmaschinengewehre – aber sie sollen sich doch bitte mit etwas beschießen, dass auch Spaß macht – am besten mit Marschmallows. Älteren Semestern unter uns auch noch als „Speck“ bekannt. Essensverschwendung? Natürlich nicht – wer qualifiziert Marshmallows schon als Essen…

4. Der Auswerfende Hot-Dog Kocher…$ 49.95:
Hier haben meine Übersetzungsfähigkeiten nicht ganz das Original getroffen „the pop-up hot dog cooker“ (bessere Vorschläge gerne als Kommentar). Ein toasterartiges Gebilde, mit zwei Löchern für die Frankfurter in der Mitte, und zwei schmäleren Öffnungen für die Hot-Dog-Semmel. Gut, Hot-Dog-Liebhaber würden sich über Sinn und Sinnlosigkeit dieses Geräts sicher mit mir streiten.

5. „Ich habe 5 Pfund in drei Tagen mit der Keks-Diät verloren“….$ 19.99/Schachtel:
Ja, da macht Abnehmen wieder Spaß! Laut dieser Diät, die gesunderweise nur auf Keksen basiert, welche natürlich alle wichtigen lebensnotwendigen Inhaltsstoffe mitliefern, kann man sich unbesorgt den ganzen Tag mit Keksen vollstopfen und verliert dabei auch noch lästige Kilos (oder zumindest Pfunde…)!

6. Das Nummernschild, das persönliche Botschaften als Laufschrift präsentiert…$ 39,95:
Der Traum aller Autocholeriker ist wahr geworden: endlich kann man dem Hintermann mit der Laufschrift auf der eigenen Nummerntafel sagen, was man wirklich von ihm hält (alle Bezeichnungen in diesem Absatz sind geschlechtsneutral zu verstehen…) und muss sich nicht mehr ungehört die Seele aus dem Leib schreien: „Blinker, du blödes Arschloch!“. Wird dem wahren Zweck der Fabrikanten zwar nicht gerecht („Sag der Süßen hinter dir, dass du Single bist!“), hat aber offenbar doch praktikable Anwendungsmöglichkeiten.

7. Das dekorative Katzenkisterl, das man nicht mehr verstecken muss….$ 129,95:
Versteckt in einer wunderschönen blumentopfartigen Konstruktion, in deren Hohlräume man nicht nur Pflanzen stecken kann, sondern worin sich auch ein voll funktionsfähiges Katzenklo verbirgt. Der Traum aller Innenraumdesigner!

8. Signiere dein Barbecue…$ 79.95:
Mit bis zu drei Initialen kann man mit diesem Brandeisen, seine eigenen Steaks am Grill individualisieren und wird so nicht nur zur Partykanone sommerlicher Grillfeste, sondern kann auch gleich beweisen, wer für das köstlich knusprige (oder wahlweise völlig verbrannte) Steak verantwortlich zeichnet.

9. Die neue sprechende Bibel….$119.95:
Einer meiner persönlichen Favoriten, ist dieses High-Tech Gerät ein Muss für alle Christen und solche die es noch werden wollen. Es ist nicht nur handlich klein („fits in the palm of your hand“), sondern spricht auch alle Bücher des Neuen und des Alten Testaments mit einer echt wirkenden menschlichen Stimme. Am besten immer bei sich tragen und überall (im Bus, Flugzeug, U-Bahn) auch benutzen. Endlich ein probates Mittel gegen all die profanen Handygespräche, die man tagtäglich mit anhören muss.

10. Spiele deine Lieblingsgitarre in einer Stunde mit nur einem Finger….$ 41,98:
Sicher ein weiterer Topseller, lässt sich dieses handliche Gerät auf jede beliebige Gitarre montieren und erlaubt dir deine Lieblingslieder mit nur einem Fingerdruck zu spielen. Und wie im Magazin angepriesen: „Spiele jede Art von Musik: Country, Blues, Gospel, Bluegrass, Rockabilly und mehr.“ Mit diesem Wunderding mitgeliefert wird ein 24-seitiges Büchlein „welches dir beibringt, alte Klassiker (leider wurde nicht erwähnt welche) zu spielen, in dem es dir zeigt, wann du den Knopf drücken musst“. Ein wahrer Held, wer sich mit einem derartigen Gerät in eine texanische Countrybar wagt…

11. Wenn du nur wissen willst, welcher Tag heute ist: die Tagesuhr….$ 39.98:
Für alle Obizahrer, Arbeitslosen und sonstigen nichterwerbstätigen Zeitverplemperer, für jedermann, der sich nicht um die Tageszeit kümmern muss, sondern bloß wissen will, welcher Tag gerade aktuell ist, ist dieses Gerät unverzichtbar. Die Tagesuhr zeigt höchst präzise den genauen Wochentag an, so dass man auch am Montag weiß, warum man wieder nicht aufstehen muss.

12. Wach auf zum weltweit ersten sprechenden Wecker….$ 79,99:
Im Gegensatz zur Tagesuhr ist Herr Uhr (Mr. Clock), der weltweit erste sprechende Wecker, ein Muss für alle jene, die pünktlich aufstehen müssen. Herr Uhr kann jede Schlafmütze auf 30 verschiedene Arten aufwecken, von einer sanften Stimme bis hin zum schreienden Ausbildungsoffizier. Ja, herrlich – wer will nicht vom charmanten Unteroffizier, den er noch aus Heereszeiten kennt, wachgebrüllt werden?

13. Big Foot, die Garten-Yeti Skulptur….$ 98.95:
Für alle Gartenliebhaber, denen Venus-Skulpturen zu langweilig sind, für Reinhold Messner Fans, die von der Existenz des mythenumwobenen Himalayawesens überzeugt sind und für alle Bergfexe, die ihm selbst schon angesichtig wurden, ist diese wunderschön-authentisch geformte Skulptur des Big Foot bzw. Yeti ein unverzichtbares Accessoire für ihre Gartengestaltung. Ganze 72 cm hoch, übertrumpft sie locker jedes Nachbarn Gartenzwerg.

Für alle, die jetzt kaum mehr warten können bis sie die Tagesuhr, oder den Zwischen-Bettdecken-Ventilator ihr eigen nennen können, mehr davon und wie man sie bestellen kann unter: http://www.skymall.com. Erfahrungsberichte bitte an The Sandworm!

Susanne, 28. April 2008

Skizzen aus NY – Nr. 4

Fast jeden Tag sitzen sie da. Zwei geisterhafte Gestalten auf einer Wartebank in der U-Bahnstation Astor Place. Zwei Frauen, soviel kann man anhand ihrer sandalenartigen Schuhe und dem wallenden Gewand ausmachen. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet sitzen sie – lehnen sich aufeinander – die Gesichter ebenfalls mit schwarzen Schals vermummt. Kleinste Hautstellen sind sichtbar und es ist kaum zu erkennen, welcher Ethnie sie angehören. Ist es überhaupt wichtig das zu wissen? Würde es in meinem Denken einen Unterschied bewirken? Mehr Mitgefühl, wenn es sich um weiße Frauen handelt, größeres Verständnis für Schwarze? Im Grunde ist es einerlei. Beide Frauen sitzen dort in der U-Bahnstation am Astor Place, samt ihren trolley-artigen Koffern und ich frage mich jedes Mal, wenn ich vorbei gehe, verschämt vorbei schleiche, weil ich bereits beim Betrachten der beiden Figuren Schuldgefühle entwickle, Schuldgefühle das Derartiges sein kann, sein darf, ich frage mich jedes mal, was diese zwei Frauen in diese Situation gebracht hat. Ich frage mich, ob es zulässig ist sie anzustarren, ob es ein Eindringen in ihre Privatsphäre wäre, sie zu betrachten – diese zwei Figuren, die fast statuenhaft auf dieses Stück Sitzbank gegossen wirken, ein Stück Sitzbank, das mit ihrer Anwesenheit nicht mehr öffentlicher Raum, sondern Teil dieser beiden Personen geworden ist. Deren Schlafzimmer, Wartezimmer, Wohnraum. Jeden Tag, an dem ich die beiden hier sitzen sehe, will ich sie fotografieren. Weil ich trotz aller Bedenken, den Blick kaum von ihnen abwenden kann. Mich magisch angezogen fühle und wünsche dieses Bild fest zu halten, um es daheim zu betrachten – um es öffentlich zu machen. Tag für Tag kann ich mich trotz allem nicht überwinden meine Kamera auch nur aus der Tasche zu nehmen, weil ich das Gefühl habe, ihnen mit einem Foto den letzten Rest an Würde zu nehmen. Sofern davon noch irgendetwas übrig ist. Beide Frauen sitzen also hier in der U-Bahn Station Astor Place. Ich sehe sie nur vormittags, vermummte Gesichter, schwarze Kleidung, schwarze Socken, schwarze Sandalen, schwarzes Gepäck. Reisefertig für den letzten Trip. Wohin? Reisefertig, oder bereits angekommen? Endstation Astor Place.

Susanne, 14. April 2008

Skizzen aus NY – Nr. 2

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Seit gut einer Woche bin ich Dorfbewohnerin. 14th Street im Norden, Houston Street im Süden, Avenue D im Osten sowie Bowery bzw. 3rd Avenue im Westen, bilden die anerkannten Dorfgrenzen. Im örtlichen Jargon spricht man von der East Village, oder auch bloß von der Village – obwohl diesen Titel wohl die Bewohner des Dorfes westlich davon reklamieren würden: Greenwich Village trug ihn Jahrzehnte, jetzt wurde er, zusammen mit den meisten, die hip sein wollen, ostwärts gespült und die East Villagers beanspruchen ihn für sich . The Village – die liegt jetzt im Osten.  

Seit einer guten Woche bin ich also Mitglied in der Dorfgemeinschaft. Dorfbewohner werden ist hier leicht. Man braucht kein Leumundszeugnis, es gibt keine Dorfgrenzposten, die unangenehme Fragen stellen, man muss nur wollen. Und das tun derzeit viele. Es kommt also lediglich darauf an, sich einen der begehrten Schlafplätze zu sichern. Meiner liegt in der 10th Street, direkt hinter der St. Mark’s Church-in-the-Bowery, einer der ältesten Kirchen im Dorf. In der gesamten Stadt. Ich hatte demnach Glück. Und fühle mich seit gut einer Woche als Mitglied in dieser skurrilen Gemeinde, die sich aus Musikern, Filmleuten, Künstlern, Hängengebliebenen, Verlorengegangenen, Suchenden und Noch-Nicht-Gefunden-Habenden zusammensetzt. Die Village ist einzigartig. Man merkt es sobald man eintritt ins Dorf. Für mich war das der vergangene Samstag, als mich das Taxi aus Brooklyn an der 10. Straße freigab. Kurze Zeit später, im Dorfmarkt nach den ersten Vorräten für meinen Aufenthalt suchend, im Marktradio spielte man „Truckin“ von The Grateful Dead, da wusste ich, alles wird gut. 

Seit etwas mehr als einer Woche bin ich Dorfbewohnerin. Mittlerweile habe ich mich gut eingelebt. Zwischen den langen Exkursionen an meine Arbeitsstätte, die im sterilen Dorf „Midtown“ liegt, erkunde ich die Trampelpfade anderer Dorfbewohner und versuche mir ein Bild von dem zu machen, was das Dorf ausmacht. Hier ein paar Hipster, die mit Hornbrillen ihren Rimbaud auswendig lernen, dort zwei übrig gebliebene Hippies, auf der 6th Street wird gerade ein Film gedreht, in dem angeblich Natalie Portman mitspielt, Kapuzenjacken sind in. Ein Sammelsurium aus einprägsamen Charakteren, die nicht immer herausstechen, aber trotzdem Teil der Gemeinschaft sind. Und man verträgt sich. Zumeist. Geht zivilisiert mit einander um, auch wenn der andere eine der eigenen diametral entgegen gesetzte Weltanschauung besitzt. Im Moment zumindest, denn die Zeiten ändern sich schnell, in der Village.  

Seit gut einer Woche bin ich also Dorfbewohnerin und fühle mich hier wohl. Heute ist Sonntag. Vor kurzem aufgestanden, habe ich meinen Mantel übergeworfen und mich auf den Weg zum Coffeeshop meines Vertrauens gemacht. Ich wandle vorbei an der St. Mark’s Church, eine Handvoll Gläubige, samt Priester und Laien, ausgestattet mit Kreuz und Palmwedeln, macht sich singend auf ihren Palmzug. „This little light of mine, I´m gonna let it shine…“. Fast möchte ich mitziehen, bis mir der Kaffee wieder einfällt und ich weiterschlurfe. Im Coffeeshop spielt man die Sexpistols und alle sind glücklich. Am Nachhauseweg kehrt auch der Palmsonntagszug wieder zurück. Immer noch dasselbe Lied auf den Lippen. „…I’m gonna let it shine“. Für zwei zufrieden wirkende Punks, die sich über die kleine Schar von Gläubigen amüsiert, geht die Nacht vermutlich eben erst zu Ende. Für einen kurzen Augenblick befinden sich die Beiden auf gleicher Höhe mit dem Palmzug und so skurril der Kontrast – die Kleider der Priester, das Outfit der Punks – nach ein paar kurzen Blicken auf einander, wandelt jeder wieder seiner Wege. Die Fotogelegenheit habe ich versäumt und meine im Vorbeigehen zu den beiden lachenden Punks „Ich hätte euch alle auf ein Foto bannen sollen“. „Das hättest du“ entgegnet einer von ihnen freundlich. Das hätte ich wohl. Ich ärgere mich kurz über die verpasste Gelegenheit, bis mir wieder einfällt, wo ich bin. Ich bin im Dorf! Dorfbewohnerin! Derartige Gelegenheiten kommen bald wieder. Sie bieten sich hier an allen Ecken und zu jeder Tageszeit. Ich wünsche den beiden Punks noch einen schönen Sonntag, sie mir auch. „I see you“ – „Yeah, I see you“. Man sieht sich. Man wohnt nicht umsonst im selben Dorf. 

 

Susanne, 16. März 2008

Skizzen aus NY – Nr. 1

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Gerade von der Einreiseschleuse ausgespuckt, am Zoll vorbei geschlichen, stehe ich auf der Plattform des Airtrain. Bindeglied zwischen Flughafen und öffentlichem Verkehr in New York. Entscheidungen müssen getroffen werden, ich habe die Wahl zwischen Howard Beach und Jamaica. Das Wetter entspricht keiner der beiden Wahlmöglichkeiten. Ich wähle den Strand. Gestrandet fühle ich mich in gewisser Hinsicht auch. Die Plattformadministratorin, diesen Namen habe ich ihr gegeben, fragt nach, ob jemand russisch spricht. Das angesprochene ältere Paar steht verloren am Bahndamm und unterhält sich in breitem Wiener Dialekt. Ich überlege kurz, meine nicht vorhandenen Russischkenntnisse zu deklarieren und als des Wienerischen Mächtige unerkannt zu bleiben, bis mich das Mitleid überkommt. Die beiden Wiener bedanken sich, dann fährt auch schon ihr Zug ein. Ich merke, wie mich insgeheim Freude überkommt, dass sie nicht mit mir an den Strand fahren werden. Dann kündigt die Plattformadministratorin meinen Zug an, ich steige ein und werde in dem sterilen Behälter, vorbei an den restlichen JFK-Terminals wie in einer Sci-Fi-Sardinenbüchse in Richtung New York befördert. Am letzten Terminal schweift mein Blick in die Ferne, die klirrende Kälte hat am wolkenfreien Horizont, die erste Sicht auf die Stadt freigegeben. Mittendrinnen streckt sich das Empire State Building als nunmehr höchstes Gebäude dem Himmel entgegen. Fast stolz wirkt es, jetzt, da es seine Vorrangstellung wieder inne hat. Zwei Ausschläge in der Frequenzlinie der Stadt fehlen. Vor fast 8 Jahren, als ich New York das letzte Mal sah, waren sie noch da gewesen. Unverkennbar. Jetzt sind sie nicht mehr Teil des Klangspektrums der Stadt und auch über die weite Distanz nach Europa hat ihre Entfernung den Ton hier merklich verändert. Im gesamten Land. Ausgespuckt vom schnittigen Hightech-Zug, lande ich endlich am Strand. Minuten später sitze ich bereits im dreckigen U-Bahnwagen nach Brooklyn. Umgeben von Menschen, für die das Wort Beach vermutlich auch eher die Assoziation zum Schiffbruch weckt. Und trotz allem fühle ich mich merklich wohler, ich werde zumindest nicht allein gestrandet sein, auf dieser Insel.

 

Susanne, 29. Februar 2008

Die Euro 08 fordert erste Opfer

 

 

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(c) APA/Fohringer

 

 

Es wird also im kommenden Sommer weder ein Kino unter Sternen im Augarten, noch ein Open Air-Filmfestival im Prater geben. Das Burgtheater schließt im Juni und auch das österreichische Filmmuseum in der Albertina sieht sich gezwungen, drei Wochen früher als geplant in die Sommerpause zu gehen. Welche kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen in den nächsten Monaten noch vor der Fußball-Europameisterschaft kapitulieren werden, bleibt abzuwarten.

Nicht jeder, der es sich wünscht, hat die Möglichkeit, Stadt oder Land zu verlassen, um im Juni zum Beispiel die langersehnte Trekking-Tour durch den Himalaya in Angriff zu nehmen. Die Möglichkeit, sich auch in Wien weithehend vor der EM zu verschließen, sich zuhause zu verkriechen oder sonstwie auszuklinken, erscheint zunehmend schwieriger, obwohl viele erklären, genau das zu planen. Wenn sich der Fußball auf derartig aggressive Weise der eigenen, unmittelbaren Lebenssphäre nähert – sei es nun räumlich oder dadurch, dass liebgewonnene und gerne besuchte Veranstaltungen und Einrichtungen vorübergehend von der Bildfläche verschwinden müssen – ist ein bisher nicht dagewesenes Ausmaß an Fußball-Bedrohung erreicht.

Dass einander Fußball und Kultur ausschließen, dürfte Ansicht vieler dem Fußball desinteressiert bis ablehnend gegenüberstehenden Menschen sein. Was sich bisher in der Vorbereitungsphase dieser EM in Wien tut, bestätigt dieses Vorurteil (zum Abschluss der Euro 08 ein Konzert des erklärten Fußballfreundes Elton John im Stadion auf der Hohen Warte anzusetzen ist nicht zur Entkräftung des Vorurteils geeignet, auch wenn die Stadt Wien diese und andere Veranstaltungen als großartiges und besonderes Kultur-Rahmenprogramm verkaufen wird. Dass darüberhinaus 100 Johann Krankl-Skulpturen Innenstadt und Mariahilfer Straße schmücken sollen, lassen wir auch nicht gelten).

Der dem Fußball und der Euro 08 weniger freundlich gesinnte Mensch bemüht sich nun also schon seit längerer Zeit, seine Abneigung gegen die Veranstaltung nicht ins Pathologische kippen zu lassen. Bisher hat das vor allem durch Verdrängung einigermaßen funktioniert. Die Absagenwelle vor allem von Veranstaltungen im filmischen Bereich bring diese ohnehin schon prekäre Situation nun aber zum Kippen. Film liegt uns sehr am Herzen und wird ein wichtiges Thema auf The Sandworm sein. Wenn der Euro 08-Ball nun gleich über mehrere einschlägige Veranstaltungen und Einrichtungen drüberrollt, dann kann er nur ein wirklich böser Ball sein und bestätigt damit gleich alle über Jahre und Jahrzente gehegten Vorurteile mit einem Schlag. Nicht wirklich erfolgreich versuche ich hier also mit einigermaßen säuerlichem Humor noch die Kurve zu kratzen. Angesichts dessen, was uns im Wien bis Ende Juni noch bevorzustehen scheint, könnte an dieser Stelle noch der eine oder andere Eintrag zum Thema auftauchen.

(Martin)

The Sandworm

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The Sandworm versteht sich als Online-Feuilleton zu verschiedensten Themenbereichen. Von Reiseberichten über Musikkritiken, von Filmrezensionen bis hin zu sozialpolitischen Kommentaren zur Lage der Stadt, des Landes und der Welt. The Sandworm setzt sich grundsätzlich keine Grenzen worüber es berichten will und ist darauf ausgerichtet mit der Zeit zu wachsen. So ist unter anderem auch beabsichtigt, wahlweise Artikel auf englisch oder deutsch zu verfassen. The Sandworm möchte thematische Grenzen ebenso wie Trennlinien zwischen Textarten und Genres überschreiten, um neue Blicke auf Altes und erste Blicke auf Neues zu öffnen.