The Sandworm empfiehlt – Thomas Pynchon „Mason & Dixon“

Zwei Bücher haben mich vergangenes Jahr nachhaltig beeindruckt. James Joyces’ Ulysses und Thomas Pynchons Mason & Dixon. Letzteres hatte ich bereits während der Lektüre des Joyce Wälzers bestellt, insbesondere weil Pynchon einer jener US-amerikanischen Schriftsteller ist, die ich die längste Zeit schon lesen wollte – immer wieder lobt man dessen sprachliche Ausdrucksfähigkeit, vergleicht ihn stellenweise mit Joyce und jahreinjahraus zählt er zu jenen Namen, die wie Roth oder DeLillo an vorderster Stelle um den nächsten Nobelpreis stehen sollen. Des Weiteren hat man David Foster Wallace, einen meiner Lieblingsautoren, als Schriftsteller in der Tradition von Pynchon gelobt. Was blieb mir also anders übrig, als ihn endlich zu lesen.

Mason & Dixon war diesbezüglich eine Zufallsauswahl, das jüngste Werk auf das ich eigentlich spekulierte (Inherent Vice) lag damals noch nicht als Taschenbuch vor, es musste also ein anderes sein. Irgendwann im Sommer bestellt, lag es kurze Zeit später vor mir, in englischer Originalfassung, knappe 800 Seiten stark.

Mason & Dixon ist wohl eines der anstrengendsten, unzugänglichsten, aber zugleich faszinierendsten, fesselndsten Bücher, das ich je gelesen habe. Zum Einen, weil es durch seine Sprache so irritiert hat, dass ich kaum mehr als 10-15 Seiten am Stück lesen konnte, 50 Seiten auf einmal verursachten bereits Eroberungsgefühle, wobei die ausgelöste Irritation weniger als ärgerliche, sondern viel mehr als erstaunt-verblüffte Gefühlsregung zu beschreiben ist. Schließlich kam es mir trotz der anstrengenden Lektüre nicht einmal in den Sinn, das Buch einfach zuzuklappen und nicht mehr weiterzulesen, im Gegenteil, dieses Buch war viel mehr eine Herausforderung, der ich mich nach den ersten gelesenen Seiten nicht mehr entziehen konnte, es nicht fertigzulesen wäre nichts anderes als eine Niederlage gewesen.

Mason & Dixon beschreibt die Freundschaft zwischen dem Astronomen Charles Mason und dem Geometer Jermiah Dixon – wer sich in den USA auskennt, dem werden die Namen der beiden als „Mason-Dixon-Linie“ bekannt sein, eine Grenzlinie, die Pennsylvania, Maryland, Delaware und West Virginia und in späterer Folge auch Süd- und Nordstaaten der USA trennte.

Ein Großteil des Romans widmet sich schließlich auch jener Zeit, in der Mason und Dixon an dieser Grenzziehung arbeiten. Trotzdem sind lediglich die Linienziehung und die Wahl der Protagonisten als historisches Fundament des Romans identifizierbar, der Rest der Geschichte entspringt der Fantasie des Autors, die dafür verantwortlich ist, dass man sich gleich nach den ersten Seiten in einer absurd-komisch-surrealen Parallelwelt befindet, in der Realität und Fiktion so gekonnt verwoben werden, dass man als Leserin mitunter kaum weiß wie einem geschieht.

So trifft man auf eine roboterartige unsichtbare Ente („the duck“), die sich in den Koch der Gesellschaft rund um Mason und Dixon verliebt hat ebenso wie auf Benjamin Franklin, der in bekannt aphoristischer Art Tipps gibt, wie man sich Opium günstiger besorgen kann („Strangers heed my wise advice, never pay the retail price“), da taucht eine verstorbene Ehefrau als Geist wieder auf, oder verwandelt sich ein Mitarbeiter der Vermessungsgesellschaft nicht in einen Werwolf, sondern einen Wer-Biber und nagt während der Vollmondzeit ganze Waldstrecken nieder. Letztlich geht es um das Aufeinanderprallen von Rationalismus und Mystizismus, Fortschritt und Aberglauben, Modernität und Rückständigkeit.

Neben dem vom Autor konstruierten absurden Universum, welches genauso abenteuerlich wie faszinierend ist, zieht dieser den Leser auch mit einer sprachlichen Gewandtheit, die ihresgleichen sucht, in seinen Bann. Der gesamte Roman ist in eine Art Rahmenerzählung gebettet, diese wird von einem Zeitgenossen Masons und Dixons, einem Reverend Wicks Cherrycoke, der bei Verwandten zu Besuch ist, sozusagen am Kaminfeuer bestritten. Wechselnde Erzählebenen, die immer wieder auch direkt zu den beiden Protagonisten zurückkehren, bilden dabei ein wildes sprachliches Geflecht, das darüber hinaus im Englisch des 18. Jahrhunderts, samt diverser Dialekte und Orthografie, gehalten ist.

Diese Erzähl- und Sprachtechnik bewirkt zwar eine nahezu vollkommene Unmöglichkeit sich als Leserin jemals so etwas wie einen Rhythmus anzugewöhnen und sich irgendwann in einer Art Lesefluss zu finden, sie bildet aber gleichzeitig eine so faszinierend-verstörende Sprachmelodie, dass man trotz aller Schwierigkeiten nach jeder absolvierten Leseetappe, sei sie auch noch so kurz, fast atemlos die Lektüre zur Seite legt, verwundert den Kopf schüttelt und sich fragt: wie macht der das bloß?

Hat man das Buch schließlich „besiegt“, kann es einem auch Wochen später, so wie mir, passieren, dass man sich ernsthaft fragt, ob dieses oder jenes woran man sich zu erinnern glaubt, tatsächlich Teil des Buches gewesen war, oder ob man sich das Ganze vielleicht doch nur eingebildet hat, ob es vielleicht doch nur Teil eines Traumes gewesen ist.

In dieser Hinsicht wird Pynchon wohl jedem Lob, das ich bisher über ihn gelesen habe mehr als gerecht, ein faszinierender Schriftsteller, der mit seiner Sprachkunst die Grenzen der Realität verschiebt und somit genau das macht was man sich von einer hervorragenden Lektüre erwartet – die Aufhebung von Raum und Zeit, von Wirklichkeit und Fiktion.

Susanne 16. Jänner 2011

2010 in Review – und ein herzliches Dankeschön vom Sandworm!

Da schaue ich heute in meine Mailbox und finde ein sehr nettes Email von WordPress wieder, wo mir bestätigt wird, dass mein „Blog-Health-O-Meter“ Wow sagt. Ich habe also beschlossen, das statistische Fazit über meine Bloggerei im Jahre 2010 mit den Sandwurm Leserinnen und Lesern zu teilen:

The stats helper monkeys at WordPress.com mulled over how this blog did in 2010, and here’s a high level summary of its overall blog health:

Healthy blog!

The Blog-Health-o-Meter™ reads Wow.

Crunchy numbers

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A Boeing 747-400 passenger jet can hold 416 passengers. This blog was viewed about 13,000 times in 2010. That’s about 31 full 747s.

In 2010, there were 39 new posts, growing the total archive of this blog to 135 posts. There were 156 pictures uploaded, taking up a total of 29mb. That’s about 3 pictures per week.

The busiest day of the year was June 21st with 172 views. The most popular post that day was Konzertbericht – Willie Nelson, Wien 2010.

Where did they come from?

The top referring sites in 2010 were twitter.com, facebook.com, networkedblogs.com, zurpolitik.com, and baeck.at.

Some visitors came searching, mostly for whitstable, lean on pete, willie nelson wien, susanne zöhrer, and canterbury.

Attractions in 2010

These are the posts and pages that got the most views in 2010.

1

Konzertbericht – Willie Nelson, Wien 2010 June 2010
10 comments

2

Konzertbericht – Bob Dylan, Linz 2010 June 2010
19 comments

3

On the road in England – Part I: Whitstable, Kent June 2009
2 comments

4

About February 2008
7 comments

5

Unterwegs in Slowenien – Piran September 2009
4 comments

Keine berauschend hohen Zahlen? Natürlich nicht und mir ist auch klar, dass mir WordPress nicht empfehlen wird, mich endlich in Ruhestand zu begeben. Mich kümmert das aber wenig, denn selbst wenn die Zahlen klein sind, so blogge ich nicht um irgendwelche Statistik-Rekorde zu brechen, sondern um darüber zu schreiben, was mir persönlich am meisten Freude macht.

Das sind in erster Linie Musik, Literatur und das Reisen. Umso mehr hat es mich deshalb auch gefreut, dass ich mein Politikblogging im vergangenen Jahr auslagern konnte und so wurde aus dem Sandworm das, was ich gern und absolut nicht abfällig, als mein „Schönwetter-Blog“ bezeichne.

Ich schreibe hier über die schönen Dinge des Lebens, über großartige Konzerte, über Bücher die mich nachhaltig beeindrucken und über horizonterweiternde Erlebnisse in anderen Ländern. Dass ich für diese Nischenthemen doch eine kleine aber feine Leserschaft gefunden habe, freut mich umso mehr und das von WordPress konstatierte „Wow“ will ich hiermit an die Leser und Leserinnen des Sandworm weiter geben und allen ein erfolgreiches neues Jahr 2011 wünschen.

Susanne, 2. Jänner 2011