Skizzen aus Wien – Nr. 22

 

Sandworm (artwork by zoer)

 

Neulich führte mich die Aussicht auf eine vermeintliche berufliche Verbesserung nach Gugging. Gut, jeder vernünftige Mensch wäre bereits bei der gleichzeitigen Erwähnung von Verbesserung und Gugging skeptisch geworden, ein so genanntes Oxymoron mag eine derartige Wortkombination sein, aber, die Aussicht auf einen Ausflug in die Wiener Peripherie und die mögliche Erweiterung meines Horizontes haben mich sofort zusagen lassen, die abenteuerliche Reise anzutreten. Ich muss ganz offen gestehen, dass mich hauptsächlich die Sympathie für das Projekt „Art Brut Galerie“ dorthin getrieben hat, nicht nur eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, sondern vor allem die Neugier, diesen Ort, den ich vor Jahren im Rahmen eines schulischen Ausfluges besucht hatte, wieder zu sehen. Es war also Dienstag, der 24. März, als ich gegen 9 Uhr früh vom 8. Wiener Gemeindebezirk aus aufbrach. Hätte ich geahnt, dass ich erst viele Stunden später wieder heimkommen würde, ich hätte mir Proviant eingepackt.

Nach 3-maligem Umsteigen und einer lauschigen Fahrt im Bus nach Maria Gugging, eine Fahrt, die ungefähr 10x länger dauerte als angenommen und ich somit bereits einiges an Verspätung für den vereinbarten Termin angesammelt hatte, rief der Busfahrer, den ich kurz zuvor gefragt hatte, wie lange es noch dauern möge, lautstark „I.S.T.“ ins Businnere, das Code-Wort für meinen Ausstieg, denn nicht nur eine vereinsamte Künstlerkolonie, deren Schaffende jene eine Gemeinsamkeit verbindet, dass sie unter, nennen wir es psychischen Auffälligkeiten leidet, sondern auch die künftige Brutstätte „Österreichischer Eliteforschung“ (schon wieder fast ein Oxymoron…) sind in Gugging angesiedelt. Kurz nachdem mich also der Bus an der verwaisten Haltestelle von Maria Gugging ausgespuckt hatte, wurde ich dort auch schon vom brüllenden Lärm der Baustelle des I.S.T. willkommen geheißen und spürte sogleich was man auf der Webseite des I.S.T. vollmundig als „Der Campus liegt mitten in der schönen Landschaft des Wienerwalds, nicht weit vom urbanen Zentrum Wiens, der pulsierenden Hauptstadt Österreichs“ angekündigt hatte. Ein Haufen Bauarbeiter, behelmt, Schotterstraßen, Baukräne und Lastwägen – einfach idyllisch. Dass der Begriff „nicht weit“ ein dehnbarer ist, wurde mir ebenso klar, denn von der pulsierenden Hauptstadt (was immer damit gemeint sein mag…) hatte ich bis mitten in die schöne Landschaft des Wienerwaldes etwa eineinhalb Stunden gebraucht. Einen kurzen Fußweg von 500 Metern später, vorbei an zwinkernden Bauarbeitern, hinweg über eine lehmige Schotterstraße, und ich stand auch schon, eine halbe Stunde verspätet, in der Galerie des Art Brut Centers von Gugging.

Über das folgende Gespräch muss ich nicht viele Worte verlieren, außer, dass die dort Beschäftigten offenbar das Schicksal teilen, dass viele, die zu lange mit psychisch Auffälligen zu tun haben, ereilt, es kommt offenbar unvermeidbar zum einen oder anderen induzierten Wahn (nachzulesen bei Wikipedia unter „Formen von Wahn“). Das Interview-Panel war sichtlich verstört über die Frechheit, die ich mir mit dem Zuspätkommen geleistet hatte und konnte absolut nicht einsehen, dass ich die Distanz von Wien nach Gugging unterschätzt hatte. Es muss sich um eine Art Wahrnehmungsstörung handeln, die sich auf des gesamte Team in der Galerie ausgebreitet hat, deren Hauptsymptomatik offenbar darin bestand, die Lokalisation von Gesäß und Nabel zu verwechseln, sich also am Nabel der Welt zu wähnen, wo man sich doch am Gesäß, oder sagen wir wie es ist, am Arsch derselben befand. Gut. Sei das wie es ist, jeder der in der Therapie psychischer Auffälligkeiten geschult ist, wird wissen, dass man wahnhafte Entwicklungen zumindest argumentativ nicht behandeln kann, zur Verschreibung wirksamer Medikamente bin ich von Gesetzes wegen nicht befugt, ich blieb also den Rest des Gespräches über distanziert freundlich.

Man möchte nun meinen, dass ich nach dieser kuriosen Unterhaltung in der Galerie so schnell wie möglich die Heimreise angetreten hätte, das war jedoch nicht der Fall, im Gegenteil, meine Neugier war geweckt und ein leiser Verdacht hatte in mir zu keimen begonnen. Das mag zwar wiederum die Frage aufwerfen, ob sich von dem oben beschriebenen wahnhaften Geschehen, nicht vielleicht doch ein wenig auch auf mich übertragen haben könnte, wer aber so wie ich (nach überstandenem Interview) einen kleinen Spaziergang durch das benachbarte Dorf wagt, und, so wie ich, bewandert ist, was die Abgründe und Niederungen der österreichischen Seele betrifft, dem wird hernach auch so einiges klarer erscheinen.

Zunächst darf ich allen, die sich für Kunst interessieren den Besuch der Galerie ausdrücklich ans Herz legen. Vielleicht im Rahmen eines Sonntagsausfluges und am besten ausgestattet mit einem Auto. Dann lohnt es sich allemal. Darüber hinaus jedoch war mir schon bei der Anreise eines klar geworden, die Ansiedelung einer so genannten Elite-Forschungseinrichtung in Maria Gugging konnte bloß ein brillanter österreichischen Schachzug sein. Es geht nämlich nicht, wie in den offiziellen Quellen angegeben, um die Etablierung einer „Elite-Uni“, nein, man müsste es vermutlich eher als potemkinsches Uni-Dorf beschreiben. Die Absiedelung der psychiatrischen Klinik aus Gugging war dementsprechend bloß ein Täuschungsmanöver, um, nach der Eröffnung des I.S.T. Austria, genauso weiter zu machen wie zuvor. Man behandelt oder verwahrt (je nach Sichtweise) nennen wir es „psychisch auffällige“ Personen, die unter der größenwahnsinnigen Einbildung leiden, sie wären Eliteforscher. Eliteforscher also als Euphemismus für Personen, die sich einbilden, sie wären Eliteforscher. I.S.T. steht möglicherweise auch gar nicht für Institute for Science and Technology, sondern vielleicht zum Beispiel für Institute for Sociophobic Technologyfreaks (Institut für sozialphobische Technologienarren) oder Ähnliches.

Man könnte sich dann fragen, warum hier Millionen von Euros dafür verwendet werden, einigen wahnhaften Leuten vorzugaukeln, sie wären tatsächlich Teil eines Elite-Forschungsnetzwerkes? Nun, derlei hat in Österreich Tradition. Man muss sich nur unsere Regierung ansehen, dann wird jedem klar, dass dort dasselbe Prinzip vorherrscht. Ein Haufen Leute, die sich selber für ausgezeichnete Staatsmänner und -frauen halten, die davon überzeugt sind, über einen herausragenden politischen Instinkt zu verfügen und vorzügliche Regierungsarbeit zu leisten. Wer sich das nüchtern und von außen betrachtet ansieht, kann nur zur Überzeugung gelangen, dass es sich hierbei um eine Art konzentriert auftretender Psychose handeln muss, eine Massenpsychose wenn man so will. Dasselbe gilt übrigens für Manager in staatsnahen Betrieben und Vorstände von Banken. Jeder der sich in letzter Zeit Interviews mit diesen Menschen angesehen hat, wird mit Sicherheit zur Auffassung gelangen, dass es sich bei den jeweiligen Interviewten NICHT um brillante Politiker, erfolgreiche Manager, besonnene Banker handeln kann, sondern viel mehr um Personen, die voll und ganz dem Wahn erlegen sind, sie WÄREN brillante Politiker, erfolgreiche Manager, besonnene Banker.

Dieses System funktioniert in Österreich! Warum also eine erfolgreiche Idee nicht auch auf die Forschung umlegen. In Wien nagen die Universitätsassistenten am Hungertuch, welcher vernünftige Mensch würde da nicht auf den naheliegenden Gedanken kommen, ein Exzellenzzentrum in Gugging zu errichten, um die österreichische Tradition innovativer Forschungskonzepte erfolgreich weiterzuführen. Das muss sich ganz sicherlich auch rentieren, denn stellen Sie sich vor, wie froh andere Länder sind, wenn sie sämtliche ihrer Eliteforscher in Österreich parken können. Vermutlich werden da Ablösesummen gezahlt, welche die Bau- und Erhaltungskosten des I.S.T. um ein Vielfaches übersteigen.

Nachdem ich also die Baustelle, die nicht weit vom urbanen Zentrum Wiens, der pulsierenden Hauptstadt Österreichs lag, wieder verlassen hatte, und der nächste Bus erst in 20 Minuten kommen sollte, machte ich mich auf und marschierte gemütlich in Richtung pulsierender Hauptstadt Österreichs. Auf dem Weg dorthin kam ich in das dem Forschungszentrum am nächsten liegende urbane Zentrum, welches den poetischen Namen „Kierling“ trug (ich begann mir bereits in Gedanken Tragödien á la Mayerling auszumalen…). Ein beschauliches Städtchen, dessen Häuserreihen sich einladend an die charmante Bundesstraße B 14 schmiegen. Kierling hätte nebenbei das Zeug zum Zentrum für quantenphysikalische Forschung zu werden, im Ort selber nämlich scheint es auffällige Zeitsprünge zu geben, von einer Bushaltestelle zur nächsten sind es mit Sicherheit 500 Meter, der auf den Fahrplänen angekündigte Bus jedoch hält bei beiden Haltestellen in derselben Minute! Ich rieche bereits die Nominierung für den nächsten Nobelpreis. Und die Einwohner von Kierling bereiten sich auch schon voller Freude auf den Einzug der Eliteforscher vor. Da liest man dann Willkommensschilder wie „Warnung vor den 4 Hunden“ auf den vergitterten Hauseinfahrten.

Als ich schließlich bei der dritten Haltestelle in Kierling angekommen war und mich laut Fahrplanaushang auch wieder in einer Zone befand, in welcher die Zeit normal voranschritt, wurde ich schließlich eines Schildes angesichtig, das mir all das, was ich hier ausgeführt habe, und was schließlich auch einen Teil jener Gedanken widerspiegelt, die mir beim Ausflug selbst durch den Kopf gegangen waren, nicht bloß als paranoide Fantasie, sondern als absolute Realität bestätigte. Ich blickte gedankenverloren vor dem Wartehäuschen stehend nach oben und sah ihn, den Beweis, dass nichts von dem was ich mir ausgemalt hatte, Einbildung war, das Hinweisschild auf den „Franz Kafka Gedenkraum“! Soetwas kann kein bloßer Zufall sein, das muss Schickalsfügung und Zeichen zugleich sein. Hier in Kierling, an der Hauptstraße 187 steht jenes Gebäude, das am Beginn des 20. Jahrhunderts das Sanatorium Hoffman war und in dem am 3. Juni 1924 Franz Kafka, seines Zeichens Schutzherr absurder, albtraumhafter, aber doch im Kern wahrer, österreichischer Lebensrealitäten, sein Leben ausgehaucht hat. Ich kniete nieder, bekreuzigte mich, 5 Sekunden später tauchte der Bus aus dem Zeitwurmloch auf, ich stieg ein und trat die lange Heimreise in die pulsierende Hauptstadt Österreichs an.

 

Eventuell nützliche Links:

I.S.T.A.

Art Brut Center Gugging

 

Susanne, 29. März 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 21

Weder kennt das Wetter Gnade, noch die vor sich hinrollende Wirtschaftskrise. Gestern Abend trieben mir die Berichte über Verluste der österreichischen Bundesbahnen wieder einmal die Zornesröte ins Gesicht und so suchte ich verzweifelt nach Trost in der Wochenendausgabe des Standard, der verlockenderweise die Frage: „Gibt es Positives an der Krise?“ zu beantworten versuchte. Hätte das Blatt freundlicherweise gleich auf der ersten Seite mit „Nein“ geantwortet, wäre mir so nicht nur die eineinhalbstündige Lektüre erspart geblieben, sondern es wäre mir vielleicht auch tatsächlich möglich gewesen, mit der gewonnenen Zeit Sinnvolleres anzufangen. So aber las ich einen Kommentar nach dem anderen und war am Ende noch frustrierter als zuvor.  Zwar fanden sich unter den Beiträgen auch einige von Österreichs bekanntesten Kabarettisten, die zitierten Spaßmacher entpuppten sich jedoch durch die Bank als ebenso desillusioniert wie es offenbar der Rest des Landes ist. Während der eine meinte, er könne sehr über die 1% Zinsen auf seinem Sparbuch lachen, konterte der andere mit der Einsicht, dass man am besten über die Krise selbst lachen sollte, man hätte dann wenigstens noch sehr lange zu lachen…Zynismus bzw. Sarkasmus bzw. Verbitterung unter den Komödianten des Landes.

Darüber hinaus gab es noch eine Menge Interviews mit sogenannten Experten, in denen diese mit Ratschlägen wie zum Beispiel „Man gewöhnt sich auch an weniger Einkommen“ Mut machten oder darauf hinwiesen, dass Islandpferde jetzt um 15% billiger zu haben seien (eine isländische Branche, in die unsere ÖBB offenbar durch Zufall nicht investiert haben…). Ein Zukunftsforscher weiß wortreich so gut wie nichts auszusagen, außer, dass jetzt sicher alles besser würde, aber nur, wenn wir es richtig anpackten.

In Anbetracht der Tatsache also, dass dieser Aufmunterungsversuch, wenn auch lobenswert, total in die Hose gegangen war, musste ich am heutigen Tage zu drastischen Maßnahmen schreiten und…spazierengehen! Dazu ist zu erwähnen, dass ich zwar grundsätzlich ein nicht unsportlicher Mensch bin, ja sogar einigen Sportarten aktiv nachgehe, ich mit der Aktivität des Spazierengehens per se jedoch bereits seit Kindheitstagen wenig anzufangen weiß. Ja, eigentlich hat die gutgemeinte Aufforderung, meist von Seiten der Eltern, vor oder wahlweise nach dem sonntäglichen Ausflug in ein Gasthaus, doch ein bisschen spazieren zu gehen im mindesten Fall in hochfrequentem Augenrollen, im schlimmsten in verzweifeltes Flehen à la „Nein, bitte nicht!“ gemündet.

Nun, es zeigt sich was sowohl Wetter als auch Wirtschaftskrise bewirken können. Im Positiven. Ich kann nämlich nicht behaupten, dass mir der heutige Spaziergang nicht gefallen hätte. Im Gegenteil, die unterdurchschnittlichen Temperaturen ließen mich für ein paar Sonnenstrahlen überdurchschnittlich dankbar sein, die Vermeidung wirtschafts- oder politikaffiner Themen schließlich ließ die traurige Lage des Landes und der Welt kurzerhand in den Hintergrund treten. Facit: ein schöner Sonntag – was will man mehr?

 

Susanne, 22. März 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 20

Winterlandschaft

 

Er will nicht so recht. Der Frühling. Immer häufiger zeigt sich die Sonne, es ist auch zunehmend wärmer, und gerade wenn man meint, jetzt, jetzt ist es endlich so weit, steht man morgens auf, zieht die Jalousien hoch und sieht grau. Nichts als grau. Dann wieder Regen, vergangenen Freitag sogar Hagel. Man sollte im März ohnehin noch nicht auf den Frühling hoffen, das ist für unser Land einfach viel zu früh. Ich spreche aus Erfahrung und langjährige Wetterbeobachtung hat bisher folgendes Ergebnis erbracht: in 9 von 10 Fällen kann man damit rechnen, dass es rund um Ostern zu einem Winter-/Schlechtwettereinbruch kommt. Schneefall, Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, das volle Programm. Und Ostern fällt dieses Jahr auf den 12. April – fast ein Monat noch, in dem mit wirklich allem zu rechnen ist.

Warum ich für den heutigen Eintrag ein banales Thema wie das Wetter gewählt habe, liegt auf der Hand. Im Moment gibt es wirklich kaum Erfreuliches zu berichten. Amokläufe, ein Prozess, in dem laut Boulevardpresse ein Monster gerichtet werden soll, die andauernde und zunehmend unfreundlicher werdende Weltwirtschaftskrise, &c. &c. Im Vergleich dazu ist das aktuelle Wetter geradezu eine Frohbotschaft. Und nachdem ich nicht vorhabe, den Lesern den heutigen Sonntag mit weiteren Schreckensmeldungen und den dazugehörigen Analysen zu verderben, bleiben wir doch noch kurz beim Wetter. In Lima hat es aktuell 22.4°C, bei bewölktem Himmel, in Miami hat es bei ebenfalls bewölktem Himmel 22.2°C, in Mombasa ist es heiter, die Temperatur beträgt 29.0°C, in Kuala Lumpur ist es zwar stark bewölkt, trotz allem hat es badefreundliche 31.7°C, in Cairns wird man sich bei noch sonnigen 26.6°C auch nicht verkühlen. Das Restprogramm für den heutigen Tag, der für die Bundeshauptstadt ausgedehnte Wolkenfelder, den einen oder anderen Regenschauer und ein Maximum von 11.0°C verspricht: die Jalousien wieder runterziehen, ins Bett legen und a) einen guten Film schauen, b) bei der aktuellen, hochamüsanten Lektüre fortsetzen, oder c) weiterschlafen. Vielleicht findet sich für alle drei Varianten noch Platz im Tagesprogramm, draußen habe ich heute auf jeden Fall nichts versäumt.

 

Susanne, 15. März 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 18

Austria in NY

 

Draußen vor meinem Fenster tanzen die Schneeflocken auf und ab, der Winter, wenngleich im astronomischen Sinne natürlich noch hochaktuell, will und will kein Ende nehmen. Die wintermüde Stimmung scheint sich auf sämtliche Lebensbereiche ausgedehnt zu haben, denn so wie im Sommer nachrichtenbedingt nicht viel Interessantes zu berichten ist, hat sich derzeit offenbar auch ein „Winterloch“ aufgetan. Die Wirtschaftskrise verschlimmert sich von Tag zu Tag, das ist nichts Neues, mittlerweile warnen sogar in den Qualitätszeitungen selbsternannte Propheten vor dem nahenden Weltuntergang und ich warte geradezu auf Zeitgenossen, die sich Das-Leben-des-Brian-artig an die nächste Straßenecke stellen und vor der Apokalypse warnen.

Das TV-Programm lässt nun zwar auch schon seit vielen Jahren zu wünschen übrig, aber ein kurzer fernbedienungskausaler Zwischenstopp bei der Übertragung des Opernballs hat mich, in Bezug auf meine Zweifel an der Seriosität diverser Untergangsszenarien, dann doch wieder stutzig werden lassen – ist das wirklich ALLES was Österreich an Kultur zu bieten hat? WILL sich unser Land tatsächlich so präsentieren? International? Durch die Oper tanzende Balletteleven, Lipizzaner, Mozartkugeln und Sängerknaben? Offenbar ja. Und selbst wenn WIR dieses Jahr zum zweiten Mal für den Oscar nominiert sind, vergangenes Jahr die Trophäe gewonnen haben – WIR versteht sich – so hat sich seit Jahren nichts an dem Bild, das Österreich im Ausland präsentiert und präsentieren will geändert. Lederhosen und Dirndl, Jodeln und Schifoan, wer daran zweifelt, der soll sich das oben dargestellte Foto sehr genau ansehen. Dabei handelt es sich um die Werbekampagne, mit der „Spezialitäten aus Austria“ in NY beworben wurden, und zwar nicht 1952, sondern 2008.

Ich blicke aus dem Fenster, die Flocken fallen noch immer und ich hoffe inständig, dass sie das auch jetzt noch heftig aufflammende Schamgefühl unter sich begraben mögen.

 

Susanne, 22. Februar 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 12

Chinarestaurant Modern

 

Es war eine ereignisreiche Woche. Zwei Erlebnisse halte ich persönlich für nachrichtenwürdig, ich möchte sie den Lesern nicht vorenthalten.

Nummer 1: Eine Broschüre an meiner Tür, die sich als Werbebotschaft des Chinarestaurants meiner Wahl entpuppte, informierte mich darüber, dass dessen japanische, chinesische & thailändische Spezialitäten von einem Haubenkoch zubereitet würden. Das verstand ich nicht ganz, denn obwohl ich dort immer wieder Mittagsmenüs bestellte, hatte ich bisher eigentlich nicht den Eindruck, es handle sich um haubenwürdige Küchenkunst. Es konnte also bloß zwei Gründe für diese vollmundige Ankündigung geben. Entweder die internationale Gourmetvereinigung hat Natriumglutamat zum Gewürz des Jahres 2009 erhoben, oder aber die derzeit arktischen Temperaturen haben den Chef de Cuisine dazu gezwungen seine Winterhaube auch beim Kochen aufzubehalten.

Nummer 2: Der Trend hochqualifizerten Arbeitskräften Hungerlöhne zu zahlen, scheint in der Medienbranche auch bei so genannten Big-Budget-Produktionen um sich zu greifen. So war ich gestern aus Neugier darüber, wie die Serie „Die Tudors“ das Schicksal der Anne Boleyn aufarbeiten würde, ebendort hängen geblieben. In jedem Fall würde sie enthauptet werden und während die arme Ex-Königin in ihrer Zelle auf die bevorstehende Hinrichtung vorbereitet wurde, sprach ein Priester salbungsvolle Worte. Diese ließen mich kurz wieder die Aufmerksamkeit auf meine Zeitungslektüre richten, als mich ein Satz des würdigen Herrn abrupt aufhorchen ließ: „…es ist die Zeit des…bla, bla….des Zerreißens und des Zusammennähens, die Zeit des bla, bla…“. Was?! Das klang nun wirklich nicht nach einem Zitat aus der heiligen Schrift! Zerreißen und Zusammennähen! Nach kurzem Überlegen wurde mir schließlich klar, dass man offenbar bei der Übersetzung den Sparstift angesetzt hatte. Der werte Dolmetsch hatte wohl die Worte „Reap and Sow“, was soviel heißt wie Ernten und Säen, mit den Worten „rip and sew“, also Zerreißen und Nähen, verwechselt. Hier macht sich auch der Trend in Schulen und Universitäten nur mehr in spezialisierte Ausbildungen zu investieren bezahlt, denn dadurch werden wenigstens gleich ordentliche, bombastische Fehler gemacht. Ich habe auf jeden Fall sehr gelacht und ich freue mich schon darauf, wenn nach dem Auslagern entsprechender Arbeitskräfte, die Synchronisationen mit indischem oder chinesischem Akzent daherkommen. Vielleicht kann sogar mein Chinarestaurant mit qualifiziertem Personal aushelfen?

Susanne, 11. Jänner 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 11

Raucherwarnung

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen die Leser von The Sandworm mit einem bombastischen, hyper-optimistischen Neujahrsgruß zu motivieren. Alles würde heuer gut werden, man solle sich keine Sorgen machen usw. usf. Auf der Suche nach ausreichendem Zitatematerial sprang mir dann am Freitag die bunte Tageszeitung Österreich ins Auge. Durch die verdreckte Plastiktasche des Zeitungsspenders leuchtete mir die Schlagzeile „Mars rettet Sie vor der Krise“ entgegen. Gab es etwas wovon ich nichts wusste? Ein Blick auf das neben dem Titel platzierte Foto von „Starastrologin“ Gerda Rogers ließ mich enttäuscht zurückweichen – ich hatte mir die Gratisspenden der Firma Mars Inc. schon bildhaft vorgestellt, obwohl es, wenn es nach mir gegangen wäre, durchaus auch Milky Way oder Bounty hätten sein können. Auch der Rest meiner Suche nach positiven Ankerpunkten für 2009 verlief einigermaßen enttäuschend. Noch immer gibt es kein Konzert im neuen Jahr, das mich rundum glücklich machen würde, Bob Dylan kommt zwar wieder nach Europa, scheint aber einen neuerlichen Wien Besuch nicht in Erwägung zu ziehen. Zu allem Überdruss ist auch der Vorsatz im neuen Jahr wenigstens etwas gesünder zu leben absolut unrealisierbar, haben doch Wissenschaftler in jüngster Zeit herausgefunden, dass nicht nur das Rauchen selbst sowie das so genannte Passiv-Rauchen lebensgefährlich sind, nein, es gibt jetzt bereits Studien, die beweisen, dass auch Rauch aus 3. Hand einen das Leben kosten kann! Wie das gehen soll? Es handelt sich dabei nicht, wie man logischerweise vermuten würde, um zuvor inhalierten, wieder ausgeatmeten Passiv-Rauch, der dann von einer weiteren Person inhaliert wird, sondern um jenen Geruch, den man von kleineren Rauch-Exkursionen auf den Balkon (ins Stiegenhaus, in den Keller…) zurückbringt und der sich wahlweise in Haaren und Gewand festsetzt. Die darin befindlichen Substanzen sind, laut dem in der New York Times mittlerweile auf Platz 1 der am meisten gemailten Einträge befindlichen Artikel, natürlich absolut und gnadenlos tödlich. Wie soll man sich da noch motivieren? Man stelle sich bloß vor, ein geschundener Raucher hat es zum Wohl seiner Familie endlich geschafft, nicht mehr in der Wohnung zu rauchen und stellt sich brav vor die eigene Haustüre, da erfährt er das alles umsonst ist, weil er seinen Kindern, die er mit seinem, in Polonium-210 getränkten Bart liebkost, trotz allem einen frühen Tod beschert! Keine guten Aussichten für 2009. Mir stellt sich bloß die Frage, ob man diesen absolut lebensgefährlichen Einfluss von Zigarettenrauch 3. Grades eventuell, wenn auch nur geringfügig, lindern könnte, wenn man, sagen wir, ein globales Fahrverbot für Autos einführen würde…

Zum New York Times Artikel

 

Susanne, 4. Jänner 2009

Skizzen aus Wien – Nr. 10

Kaum aus der verschneiten Winterlandschaft in der westlichen Steiermark zurückgekehrt, endet der Weihnachtsfrieden abrupt an meiner Wohnungstür. Ein bunter Prospekt findet sich, wie bei meinen Nachbarn, in die Türschnalle geklemmt und scheint auf den ersten Blick bloß eine weitere, in katastrophalem Design entworfene, Werbesendungen der ständig wechselnden Chinarestaurants und Pizzerias in meinem Bezirk zu sein. Bei genauerem Hinsehen jedoch entpuppt sich das farbenprächtige Pamphlet als Frohbotschaft unseres Herrn Bürgermeisters, der mir bereits auf Seite 2 entgegenlächelt, um mich und hunderttausende Andere zum alljährlichen Neujahrs-Overkill auf den so genannten Silvesterpfad zu locken.

Nachdem es mir nicht im Traum einfallen würde, mich auch nur in die räumliche Nähe dieser Mischung aus Humptata, Mallorca-Besäufnis und Weana Gmiatlichkeit zu begeben, treibt mich die Neugier trotz allem dazu, mir diesen Ankünder genauer anzusehen, denn es interessiert mich natürlich, was die Stadt jenen zu bieten hat, die sich derlei (freiwillig) antun. Laut meiner Einschätzung handelt es sich dabei um die zwei klassischen Ts: Touristen und Trunkenbolde (wahlweise auch: Reisende und Rauschkugeln), die an bestimmten ausgewiesenen Stellen und zu ganz bestimmter Uhrzeit auch in Personalunion anzutreffen sind. Ein heißer Tipp: Stephansplatz um Mitternacht…

Die gewünschten Besucher rekrutieren sich laut der vorliegenden Broschüre offenbar vorwiegend aus dem deutsch-, englisch- und italienischsprachigen Raum – warum man nun auch Wiener dabei haben will und eine örtliche Reklamesendung daraus macht, ist mir nicht ganz klar, offenbar hat man im Rathaus noch immer zu viel Geld übrig. Das scheint man auch in ganz besonders gut aufgelegte Übersetzer zu investieren, denn obgleich der Herr Bürgermeister im Deutschen noch jegliche Zweideutigkeiten vermeidet – ja, sicher soll es super lustig werden – die launische Englische Übersetzung beseitigt alle Unklarheiten: „…., and those who want to wake up the following morning on Rathausplatz to the broadcast of the New Year´s Concert…“! Man geht also davon aus, dass es Teilnehmer des Silvesterpfades gibt, die am nächsten Morgen zur Übertragung des Neujahrskonzert am Rathausplatz aufwachen wollen. Nun, ich stelle mir das schon recht amüsant vor, wenn ich an lauter grün- und gelbgesichtige Alkoholleichen denke, die sich am 1. Jänner zu den lieblichen Walzerklängen der Wiener Philharmoniker am Rathausplatz wälzen.

Weiter im Programm. Diesbezüglich lässt auch die deutschsprachige Ankündigung der bombastischen Highlights, in deren Genuss man Am Hof kommt, kaum ein Auge trocken. Die „coolen Bühnenacts“ umfassen internationale Größen wie Luttenberger*Klug und Mario Lang, sowie einen Act, dessen Name mich fast (aber auch nur fast) auf die Suche nach einer möglicherweise vorhandenen MySpace Seite getrieben hat: Tha Family! Was kann sich dahinter wohl verbergen? Der Artikel „Tha“ verweist auf möglicherweise perfiden Gangster-Rap, das darauf folgende versöhnliche „Family“ wiederum auf lustigen Pop-Schlager à la Village People. Möglicherweise eine rappende Gangsterfamilie aus der Vorstadt?

Ein weiterer Höhepunkt findet ohne Zweifel am Neuen Markt statt. Das Programm kündigt im Deutschen das „Aushängeschild heimischer Popmusik“, im englischen gar das „poster child of Austrian pop music“ an! In einer Quiz-Sendung könnte man mit einer derartigen Frage sicherlich jeden Kandidaten in den Wahnsinn treiben, dass die Antwort tatsächlich Reinhold Bilgeri ist, wäre mir nie und nimmer eingefallen. Den hiesigen Programmverantwortlichen aber schon. Wenigstens hat sich die charmante Übersetzung mit „poster child“ vom üblichen „poster boy“ ferngehalten, das wäre dann doch etwas zu dreist gewesen, wenn man bedenkt, dass die letzten Hits des Herrn Bilgeri mindestens 20 Jahre zurück liegen. Eine Web-Suche hab ich mir in diesem Fall auch erspart, ich wollte mich nicht in die Gefahr begeben, auf automatisch gesteuerte Sound-Player zu stoßen und mich plötzlich mit irgendwelchen Bilgeri-Kompositionen überfahren zu sehen (jeder kennt heimtückische Webseiten, auf denen sich der „aus“-Knopf des Players erst nach minutenlanger Suche findet…).

Im Prater schließlich hat man das architektonische Antikonzept des Vorplatzes auch ins Musikprogramm übernommen – man ist in Wien wenigstens konsequent – und bietet ein Sommer-Urlaubsstimmungs-Misch-Masch-Programm. Dort lädt man den Besucher zunächst auf eine Reise nach Kuba ein, um ihn hernach in die Karibik zu locken – interessanterweise scheint keiner der Programmautoren je davon gehört zu haben, dass Kuba in der Karibik liegt. Aber das macht nichts, die Wiener wissen: dort unten, im Süden, ist es meistens immer lustig! Pros(i)t Neujahr!

Susanne, 27. Dezember 2008

P.S. The Sandworm freut sich auch im neuen Jahr über viele neue Leserinnen und Leser, er wird sich bemühen einigermaßen regelmäßig und in jedem Fall häufiger aus seiner Sandwüste aufzutauchen.

Skizzen aus Wien – Nr. 9

Schweinsbraten

 

In Zeiten wie diesen sind Durchhaltevermögen, Kampfgeist und starke Nerven gefordert. Ich spreche nicht von der Weltwirtschaftskrise, sondern vom herannahenden Weihnachtsfest mit dem dazugehörigen Ess- und Trinkmarathon. Wenn also jemand die gesamte Distanz dieses Langstreckenlaufs bewältigen und nicht schon nach 5 bis 10 Kilometern in die Knie gehen möchte, ist es unbedingt nötig frühzeitig mit dem Training zu beginnen. Nachdem ich mich durchaus mit den oben erwähnten Eigenschaften gesegnet sehe, und im Allgemeinen hart im Nehmen bin, ist es für mich eine Frage der Ehre, die Weihnachtsfressorgien bis inklusive dem 2. Weihnachtsfeiertag in Bestform zu absolvieren.

Mit dem Training habe ich natürlich rechtzeitig begonnen, der Auftakt war eine Firmenfeier, bei der mehr getrunken als gegessen wurde, aber man hat ja schließlich zwei Disziplinen in diesem Rennen zu berücksichtigen. Nummer 1, man muss zusehen, dass man bis zum heiligen Abend einigermaßen geeicht ist, um die schweren Rotweine und das Weihnachtsbockbier mit Anstand zu bewältigen und Nummer 2, man darf auch Weihnachtsbraten und jahreszeitliche Süßspeisen wie Kekse und Baumbehang nicht unterschätzen. Es handelt sich quasi um ein Cross-Training – Aufbautraining also im Bereich flüssiger (alkoholhältiger) Substanzen, unterbrochen mit Phasen intensivem Essens, um sich weder in der einen, noch in der anderen Disziplin irgendwelche Blößen zu geben.

Nach dem ersten Aufwärmen bei diversen Arbeits- oder freundestechnischen Zusammenkünften, gerne leider auch am Punsch-Stand (eine meiner konditionellen Schwachstellen), muss man natürlich auch frühzeitig mit der Esserei beginnen. In meinem Fall stand gestern die erste echte Belastungsprobe am Trainingsplan – sozuagen ein durchzulaufender Halbmarathon – das alljährliche Schweinsbratenessen bei Freunden. Man wärmte sich mit Bier, wahlweise Wein, auf und versuchte die Stärken und Schwächen der Mitbewerber frühzeitig herauszufinden, um zum richtigen Zeitpunkt zum Überholen anzusetzen. Die Suppe war ein Kinderspiel, und kein einziger der Anwesenden gab sich die Blöße, einen Nachschlag abzulehnen. Kurze Zeit später stand der Hauptgang am Tisch: ein klassischer Schweinsbraten, mit knuspriger Kruste, als Beilagen standen Rotkraut, Semmelknödel und Rosmarinkartoffel zur Wahl – man nahm sich natürlich von allem, dass der Bratensaft in Strömen floss,  versteht sich von selbst. Auch beim Hauptgang wurde noch gerne nachgenommen, obwohl der Eine oder die Andere durchaus erste Schwächen zu erkennen gab. Beim nachgereichten Nussschnaps waren dann wieder alle gleichauf.

 

Dessert

 

Nach kurzen Lockerungsübungen, die hauptsächlich aus Bier- bzw. Weintrinken und dem einen oder anderen Espresso bestanden, wurde die Nachspeise serviert. Der erste richtige Anstieg auf der Strecke, der seine Tücken hatte. Eine Komposition aus Schokoladencreme und Biskotten, die vom Keks/Bisquitteig, welcher Boden und Deckel bilden sollte, kaum zu zähmen war. Da zeigten sich dann sichtbare Durchhänger, während der Eine den Anstieg zu schnell bewältigte und danach für mehrere Minuten nicht ansprechbar war, ja dem Kreislaufkollaps nahe, kämpfte sich die Andere mühsam und viel zu langsam nach oben und war dann ebenso fertig, wie der nach Luft ringende Mitbewerber. Eine weitere Runde Schnaps, diesmal mit mehreren Geschmacksvariationen zur Auswahl, brachte wieder Erleichterung, man stieg großteils auf Wein um und wähnte diese erste ernsthafte Trainingseinheit bereits als erfolgreich absolviert. Beinahe, denn auch wenn die Stunde schon fortgeschritten, es mittlerweile weit nach Mitternacht war, kam noch ein heimtückischer Angriff von Seiten der Gastgeber, die zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Käseplatte attackierten. Nachdem man nun aber schon so weit gekommen war, wollte sich jetzt auch keiner mehr eine Blöße geben und der üppig beladene Teller war schon bald einigermaßen abgeräumt. Ein Stück Brot noch, den letzten Schluck Wein, das obligate Gruppenfoto als Motivation zum Durchhalten und dann machte man sich erschöpft aber glücklich auf den Heimweg.

Nachdem dieser erste Belastungstest gut überstanden ist, blicke ich den Feiertagen optimistisch entgegen. Bereits heute habe ich wieder ein Restaurant betreten, ohne mit der Wimper zu zucken – die erste Lieferung Weihnachtskekse wird für Mittwoch erwartet. Ich befinde mich, das kann ich nunmehr zufrieden feststellen, in bester Form, bis zum heiligen Abend habe ich noch mehr als eine Woche für lockeres Training, den weihnachtlichen Ess-Trink-Biathlon sollte ich mit Links bewältigen, so wie es derzeit aussieht, könnte sogar ein Platz am Podest drinnen sein.  

P.S. Besten Dank an die Gastgeber besagten Schweinsbraten-Essens, es war köstlich!

Susanne, 14. Dezember 2008

Skizzen aus Wien – Nr. 7

Bahnhof Graz

 

Jedes Wochenende, auch wenn es ein verlängertes ist, muss irgendwann einmal enden. Aus diesem Grund begab ich mich am Mittwoch vergangener Woche, wieder auf die Reise zurück nach Wien. Nachdem ich nicht über ein Auto verfüge, ließ sich eine weitere Bahnfahrt nicht vermeiden, trotz allem war sie auch diesmal wieder einigermaßen unterhaltsam.

Begonnen hat alles am Bahnsteig des Grazer Hauptbahnhofes. Nach einem Verspätungschaos und Anzeigentafeln, die nicht den erwarteten Zug ankündigten, fiel mir auf, dass die Tafel auf meinem Bahnsteig den Hinweis „Telefonseelsorge Ruf 142“ enthielt.  Darüber musste ich natürlich nachdenken. Wusste man bei den ÖBB, dass die Rückkehr ins graue Wien bei nicht wenigen Reisenden Depressionsschübe verursachen kann? War man dort bereits so hellsichtig, dass man alles unternahm, damit sich Wien-Phobiker aus Angst vor der drohenden Fahrt in die Bundeshauptstadt nicht vor den einfahrenden Zug werfen würden? Meine Fragen wurden von Chris Lohner beantwortet. Vorerst. Denn die bekannte Stimme verkündete die Ankunft des aus Wien verspätet ankommenden Zuges namens „Telefonseelsorge Ruf 142“. Aha. Das war also bloß sein Name.

Beim Eintreffen am Grazer Hauptbahnhof verwandelte sich der Zug, der nunmehr die Reise nach Wien antreten würde, jedoch in den Zug namens „Styriarte Graz“. Derselbe Zug, zwei Namen, zwei verschiedene Reiseziele. Das wiederum löste bei mir weiteres Rätseln aus. War es ein Zufall, dass der Zug, der aus Wien wegfuhr, die telefonseelsorgerische Bezeichnung trug? Sollte es nicht umgekehrt sein? Vielleicht plante man bei den österreichischen Bundesbahnen mittlerweile derart vorausschauend, dass man den Leuten, die von Wien abfuhren, es also lebend herausgeschafft hatten, gleich auch das probate Mittel zur seelischen Heilung anempfahl? Jene Reisenden, denen nichts anderes übrig blieb, als wieder zurück in die Höhle des Löwen zu fahren, sollten wenigstens nicht in Graz schon dem Trübsinn verfallen, bzw. durch die Erwähnung, dass eine Reise nach Wien eventuell zur Inanspruchnahme der Telefonseelsorge führen könnte, auf dumme Gedanken gebracht werden? Solange sich die isländischen Investitionen unserer Bundesbahnen nicht doch noch als bombastisches Profitgeschäft erweisen (siehe dazu den vorangegangenen Eintrag), solange gehe ich davon aus, dass sich ÖBB und Weitblick nicht in einem Atemzug nennen lassen dürfen. Aus diesem Grund gab ich die Suche nach dem Sinn und Unsinn von Zugbezeichnungen nach wenigen Minuten auf und widmete mich meiner Lektüre.

Nach einer nahezu störungsfreien Fahrt wurde ich schließlich rechtzeitig, auf dem Streckenabschnitt zwischen Wiener Neustadt und Wien, in die Realität zurück verfrachtet. Kurz nachdem der Zug sich aus Wr. Neustadt in Richtung Wien in Bewegung gesetzt hatte, betraten drei Herren den Wagen – ich hatte aufgrund der für meine Verhältnisse zu großen Intimität der Sechserabteile diesmal die anonymere offene Waggonvariante gewählt – gingen im Gänsemarsch durch das Abteil und blieben bei einer jungen Dame, die zwei Sitze vor mir saß, stehen. Kurz und bündig stellten sie sich als Angehörige der Polizei vor und man wolle bitte einen Ausweis sehen. Die junge Dame fragte daraufhin, ob sie nur deshalb ausgewählt worden war, weil sie ausländisch aussähe (sie hatte einen leichten Akzent und könnte türkischer Abstammung gewesen sein), was der Kollege von der Exekutive nicht direkt bejahte, sondern die Intervention als allgemeine Personenstandsfeststellung (ganz genau konnte ich die Unterhaltung nicht mitverfolgen) begründete. Die junge Frau war erstaunlich gefasst, meinte, das sei ihr noch nie passiert und wies darauf hin, dass sie österreichische Staatsbürgerin wäre. Nach vollbrachter Identitätsfeststellung und möglicherweise Verhinderung einer Infiltration unseres friedlichen Landes durch ausländische Terroristen, gingen die drei Herrschaften weiter. Ein Kopfschütteln habe ich mir dieses Mal verkniffen, man will sich ja nicht unnötig verdächtig machen. Damit war ich dann wieder in Wien angekommen. Physisch und psychisch – gut, dass ich dank der österreichischen Bundesbahnen jetzt den Notruf der Telefonseelsorge auswendig kann.

 

Susanne, 9. November 2008

Skizzen aus Wien – Nr. 6

In der Stadt sitzt bereits jetzt, mitunter tagelang, der Herbstnebel. Ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen, vielleicht Monate, in denen sich die Sonne nur mehr selten in Wien zeigen wird. Das Gros der Leute ist mürrisch bis aggressiv – keine saisonale Besonderheit, eher Dauerzustand hier. Umso willkommener ist in dieser Hinsicht ein Ausflug aufs Land. In die Steiermark soll es gehen und nachdem ich die Fahrt im 13A ohne sichtbare Schäden überstanden habe, begrüßt mich endlich der herbe Charme des Südbahnhofes. Das Ticket ist ausnahmsweise schnell gekauft, jedoch exorbitant teuer und nicht erst beim Besteigen eines Zuges, der den Eindruck erweckt bereits seit den Zeiten Kaiser Franz-Josefs in Betrieb zu sein, fragt man sich, wofür das ganze Geld denn aufgewendet wird, bei den österreichischen Bundesbahnen. Der Blick in die Tageszeitung gibt Antwort: Spekulationsgeschäfte mit isländischen Banken, oder so, ganz durchschaut man derlei Geschäfte nie, aber vielleicht hatte man langfristig eine Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Wien und Reykjavik ins Auge gefasst. Nach kurzer Suche finde ich einen gemütlichen Platz im stimmungsvollen Sechserabteil, wir sind zu viert, was bedeutet, dass der jeweils mittlere Platz der beiden Dreiersitzbänke noch frei ist – ein Luxus. Ein wenig dauert es noch, bis ich es endlich aus der Stadt herausgeschafft habe, bis zur Abfahrt versuche ich mich auf die Zeitung zu konzentrieren. Das gelingt nur ganz kurz. Schon geht die Tür vom Abteil auf und ein schüchterner junger Mann, unübersehbar ausländischer Herkunft, steckt vorsichtig den Kopf herein und versucht noch ein Exemplar seiner wohltätigen Zeitschrift anzubringen. Er ist nicht mal bis zur Schulter im Abteil, als ihn mein Sitznachbar mit einem herzhaften „Reiß o“ wieder auf den Gang hinaus verabschiedet. Auf mein sichtbares Kopfschütteln meint er viel mehr zu sich als zu mir: „Des san nämlich rumänische Betrüger und de gengan sunst net mehr. Des hob i amoi glesen“. Ich erspare mir die Diskussion und stecke meinen Kopf wieder in die Tageszeitung. Wien ist anders. Ich freute mich jetzt sehr auf das Wochenende am Land.

 

Susanne, 2. November 2008