Weiß wählen? Im Ernst?

Herr Kopf wählt weiß. Das wäre an sich voll in Ordnung, schließlich steht es jedem Wahlberechtigten, jeder Wahlberechtigten in Österreich zu, sein oder ihr Wahlrecht so auszuüben, wie es ihm oder ihr beliebt. Einen der zur Wahl stehenden Kandidaten wählen, oder gar keinen – also „weiß“, so wie es der Herr Kopf macht, oder eben überhaupt gleich daheim zu bleiben, wie es, nur ganz nebenbei bemerkt, immer mehr Österreicherinnen und Österreicher am Wahltag machen. Und diesmal geht es schließlich bloß um ein repräsentatives Amt – jenes des Bundespräsidenten der Republik – also überhaupt gar nicht wichtig.

Wenn da nicht ein kleines Detail wäre, dass mir seit ich weiß, dass Herr Kopf weiß wählen wird, irgendwie die Stimmung verdirbt. Der Herr Kopf ist nämlich nicht irgendein x-beliebiger österreichischer Normalverbraucher, nein, der Herr Kopf ist ÖVP-Klubobmann. Und seine Äußerungen in Bezug auf sein geplantes Wahlverhalten sind in mehrerlei Hinsicht bedenklich.

Zum Einen, weil Herr Kopf als Begründung dafür Folgendes angibt: „Heinz Fischer ist der Kandidat der SPÖ“. An dieser Erklärung, die meines Erachtens nach eher Kindergartenniveau besitzt, wäre grundsätzlich nichts auszusetzen, wenn Herr Fischer halbwegs seriöse Gegenkandidaten im Werben um die Bundespräsidentschaft hätte. Dann wäre es mir herzlich egal, wen Herr Kopf wählt, oder ob er überhaupt wählt. Leider aber finden sich als Alternativen zu Herrn Fischer zwei Antrittswillige, die mir den Angstschweiß auf die Stirn treiben, nicht so sehr, weil ich mir, selbst in den schlimmsten Albträumen, ausmale, dass einer der beiden Kandidaten tatsächlich gewinnen könnte, sondern viel mehr, weil ich mir dann für die diversen Auslandsreisen, die ich immer wieder gern unternehme, bereits jetzt Rechtfertigungen überlegen darf, ob wir Österreicher tatsächlich tief im Herzen immer Nazis, Ewiggestrige, etc. geblieben sind.

Nur kurz zu den beiden Antretenden. Die eine ist laut Kronen Zeitung eine „mutige Mutter“, die sich zwar für eine taugliche Kandidatin hält, aber es offenbar nicht der Mühe wert findet, ihre Schulbildung aus den 1970-ern zwischendurch auch mal aufzufrischen. Daneben distanziert sie sich gern von rechtsrechtem Gedankengut, Distanzierungen, die ungefähr so glaubwürdig sind wie seinerzeit Jörg Haiders „Ich bin schon weg“. Der andere wiederum bezieht seine Bildung aus der Bibel und weiß offenbar auch ganz genau was Österreichs Frauen wollen. Dass es hierzulande eine (nicht ganz astreine) Trennung von Kirche und Staat gibt, scheint ihn nicht zu stören, er möchte gerne gaaaanz viele Kreuze in der Hofburg aufhängen. Als Repräsentationsreiseziele während ihrer Präsidentschaft würden beiden vermutlich das Erdbeerland oder wahlweise Minimundus dienen.

Wieder zum Herrn Kopf. Der wählt ja weiß. Und ist, wie erwähnt, gleichzeitig Klubobmann jener Partei, die aktuell in der Regierung ist und, wenn man den Umfragen glauben will, auch in der nächsten sein wird. Diese staatstragende Partei fand es übrigens nicht der Mühe wert einen eigenen Kandidaten für die Wahl aufzustellen und larviert jetzt also entweder um den heißen Brei herum, oder aber spricht die Wahlempfehlung der ÖVP offen aus: „xy wird weiß wählen“.

Für Herrn Kopf also sind alle drei Kandidaten gleichwertig, Frau Rosenkranz, Herr Gehring und Herr Fischer. Und als ÖVP-Klubobmann, als Nationalratsabgeordeter, will er lieber keinen von den dreien wählen, als einen politischen Gegner zu unterstützen. Selbst dann nicht, wenn es gilt ein Zeichen zu setzen, gegen aufkeimenden Rechtsradikalismus und gegen Geisteshaltungen wie sie wahlweise Frau Rosenkranz oder Herr Gehring repräsentieren.

Nun, ich hoffe nur, dass sich Herr Kopf, falls er denn irgendwann mal wieder ins Ausland reist, nicht auch mit blöden Fragen in Sachen „wie rechts ist der gemeine Österreicher“ konfrontiert sieht, denn dann wird er den Fragenden wohl hoffentlich ehrlich erwidern, dass er mit rechtsrechten Kandidaten im Land kein Problem hat, und dass er, bevor er einen Parteigänger der Roten unterstützt, lieber gar niemanden wählt. Falls ihm das entfallen sollte, werde ich mich daran erinnern. Denn Herr Kopf ist in meinen Augen keine Einzelperson, sondern Repräsentant der ÖVP.

Und weil sich schon die ÖVP nicht traut, hier auch gleich meine Frage an die Grünen, die ebenfalls keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schicken: Wo bleibt ihre Wahlempfehlung, als Partei?  Oder wählt man dort auch weiß?

Egal – ich werde am 25. April für Heinz Fischer stimmen und zwar aus voller Überzeugung und in der Hoffnung die prozentuale Ausbeute für Rosenkranz und Gehring möge so gering wie möglich ausfallen. Ich werde dann nämlich das nächste mal, wenn mich im Ausland jemand fragt, ob wir Österreicher tatsächlich so rechts sind, wie wir wählen, entgegnen: ich mit Sicherheit nicht.

Quellen: Interview mit Karlheinz Kopf im Standard

Frohe Ostern wünscht,

Susanne, 4. April 2010

7 Kommentare zu “Weiß wählen? Im Ernst?

  1. max sagt:

    herr klopf, als demokratisch gewaehlter nationslratsabgeordneter, sagt somit selber, dass die politiker in ö nicht waehlbar sind…

    in anderen laendern waere so eine aussage ein ruecktrittsgrund.

  2. […] This post was mentioned on Twitter by Klaus Werner Lobo, Susanne Zoehrer, Florian Hörantner, topsy_top20k, Oliver M. Loksa and others. Oliver M. Loksa said: punktgenau! #mustread RT @TheSandworm Blogpost über die #BpWahl2010 und Herrn Kopfs Wahlempfehlung. http://bit.ly/aXoIFv #heifi2010 […]

  3. Dan sagt:

    Ich glaube, in der ÖVP lebt man wieder Machtphantasien aus, in denen die FPÖ eine Juniorrolle spielt und möchte es sich daher mit denen nicht verscherzen. Angesichts der Tatsache, dass die VP momentan de facto ohnehin der größere Koalitionspartner ist, ist das eine sehr befremdliche Sache.

  4. Kopf sagt in dem Interview auch folgendes: Aber er ist politisch sehr klar links positioniert und daher für mich nicht wählbar.

    Das ist als Begründung doch in Ordnung, oder (ich meine damit: Es ist eine Begründung)? Und ob jemand das für ihn geringste Übel wählt, oder wann er sich für eine solche Wahl entscheidet, oder nicht, ist eine persönliche Angelegenheit, ich sehe da nicht all zu viel kritikwürdiges.

    Zu den beiden anderen Kandidaten: Ich halte den Wirbel um die zwei in Teilen für unangebracht. Sie haben das demokratische Recht zu kandidieren, also sollen sie es tun, und sollte man sich im Ausland dafür rechtfertigen müssen, dann kann man das aus demokratischer Sicht tun. Bedenklich wird es erst, wenn Rosenkranz, z.B. 30% erreicht. Aber darüber diskutieren wir nach der Wahl.

    Zu Rosenkranz‘ Schulzeit gab es eine interessante Notiz in der Presse.

    Übrigens kommen mir die Aufrufe Heinz Fischer zu wählen, weil man doch ein Zeichen setzten muss etc., schon fast einer politischen Instrumentalisierung, oder Bevormundung gleich. Genauso wie Wahlempfehlungen. Jeder soll selbst nachdenken, und sich entscheiden. Vor allem darauf gründet sich doch Demokratie, oder?

  5. thesandworm sagt:

    @max – ich stimme dir voll und ganz zu.
    @dan – den Eindruck habe ich auch
    @metepsilonema – ja, jeder der in Ö ein passives Wahlrecht hat kann und soll kandidieren. Herrn Kopfs Aussage stimmt mich nicht deswegen bedenklich, weil er Herr Kopf ist, sondern NR-Abgeordneter und ÖVP-Klubobmann. Wenn er Herrn Fischer nicht wählen will, dann hätte er seine Wahlempfehlung doch auch für sich behalten können. So aber gibt er als Funktionsträger quasi eine Empfehlung auch für seine Partei ab und das ist in Anbetracht der Gegenkandidaten skandalös.
    Ich habe niemandem empfohlen irgendjemand zu wählen, sondern lediglich meine eigene Wahl bekannt gegeben, weil ich mich daran beteiligen möchte, den Stimmenanteil von Frau Rosenkranz bzw. Herrn Gehring so klein wie möglich zu halten. Und ja, ich teile deine Auffassung, dass jeder selbst entscheiden soll, wenn er oder sie wählt, für NR-Abgeordnete und Parteiobmänner gilt aber in meinen Augen ein höherer Standard im Bezug auf das, wozu sie sich äußern.

  6. Hätte er können, aber da er danach gefragt wurde … alles andere als ein Antwort, wäre doch erst recht seltsam gewesen.

    Ich denke nicht, dass ich Dir Wahlempfehlungen vorgehalten habe (sollte eine allgemeine Feststellung gewesen sein).

    Hmm, ein höherer Standard? Sagen wir: Personen die in der Öffentlichkeit stehen, können mehr Schaden anrichten, das stimmt. Insofern brauchen sie viel Fingerspitzengefühl.

    Aber noch einmal zu Kopf: Was hätte er Deiner Ansicht nach tun sollen? Sich auf das Wahlgeheimnis berufen (wenn wir davon ausgehen, dass er Fischer tatsächlich nicht wählen „kann“)?

  7. thesandworm sagt:

    Ja, er hätte sich auf das Wahlgeheimnis berufen sollen. Eine derartige Antwort hätte ich weniger seltsam gefunden, als seine Entscheidungsprobleme hinsichtlich Fischer, Gehring und Rosenkranz. Im Bezug auf höhrere Ansprüche geht es mir nicht generell um Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sondern um gewählte Mandatare. Wer quasi den Souverän vertritt, an den/die sollte man insgesamt höhere Anforderungen stellen können. Das ist aber wie gesagt Wunschdenken, die Realität, wie wir mit einem Blick auf die Besetzung im Nationalrat sehen, sieht leider anders aus.

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